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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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Pohlmann erhob sich aus seinem Sessel und legte seinen
Arm freundschaftlich um Werners Schulter. »Danke. Ich komme drauf zurück. Vermutlich
früher, als du denkst.«
     
    Nach zwei Stunden waren alle Beamten
vom Sicherheitsdienst abgezogen, ein weiteres neues Sicherheitsschloss eingebaut
und die gröbste Unordnung beseitigt. Puder an den Türrahmen, an den Regalen und
sogar an den Fotos, und kein einziger verwertbarer Fingerabdruck außer seinen eigenen.
Was hätte man anderes erwarten können? Profis hinterlassen keine Spuren, und dass
Martin es hier mit solchen zu hatte, dessen war er sich zu diesem Zeitpunkt bereits
sicher.
    Er ging
zum Kühlschrank und nahm eine Dose Bier heraus. Die Nerven brauchten Beruhigung,
sie mussten geglättet werden wie ein zerknautschtes Tischtuch beim Bügeln. Er ließ
sich auf das Sofa fallen, als sein Blick auf die Akten in dem blauen Plastikkorb
fiel. Um wen geht es bloß in diesem Prozess? Wer soll angeklagt werden und warum? Scheinen ja wichtige Leute zu sein.
     
    Obwohl Martin gegen 23 Uhr den sirenenhaften
Gesang der Müdigkeit von Ferne hörte, wollte er ihm noch für ein, zwei Stunden eisern
widerstehen und sich die Unterlagen ansehen. Fragen über Fragen und wenigstens eine
wollte er beantwortet wissen. Er legte zwei graue Leitz-Ordner vor sich auf den
Couchtisch und betrachtete die Aufschriften auf dem Deckel. ›Aktenzeichen 4927/2010/Wegleiter/Fürst‹,
und auf dem zweiten stand ›Aktenzeichen 9/8274/2008/Strocka‹. Der ältere von 2008
beschäftigte sich mit dem Mord an diesem Gerhard Strocka.
    Pohlmann
schlug die Akte auf und begann zu lesen. Er las schnell, erfasste diagonal den Inhalt
und blätterte weiter. Nach und nach verstummten die Sirenengesänge. Martin war wieder
hellwach. Folgender Eintrag zu Strockas Biografie erregte seine Aufmerksamkeit:
Gerhard Strocka, geb. am 3. April 1919 in Karlsruhe. Vater Walter Strocka, Elektriker.
Mutter Paula Strocka, Hausfrau. Pohlmann überflog die weiteren Zeilen. Da hieß es:
Heiratete Juli 1939 Jugendliebe Liselotte Stratmann. Trat Februar 1940 freiwillig
der Waffen-SS bei. Seit 1940 regelmäßige Kontakte zu Gudrun Blankenhagen. Dann folgte
der Eintrag, der für ihn Bedeutung hatte: Verdacht auf außereheliche Beziehung zu
Gudrun Blankenhagen im Lebensbornheim Steinhöring. Ab 1943 Hauptsturmführer. Teilnahme
am Genozid in Treblinka nicht eindeutig nachgewiesen. Strocka nach 1948 flüchtig.
Nach eigenen Aussagen in Frankreich als Fremdenlegionär angeheuert. Ab 1950 Polizeidienst
in BRD. Danach Hinweise auf Waffenhandel mit Libyen. Tätigkeit als Makler und Immobilienhändler.
1990 Umzug nach Hamburg. Altenheim ›Zur guten Hoffnung‹ in Blankenese. Kontakte
zur NPD. Verdacht auf Teilnahme an Veteranentreffen in Österreich. Regelmäßige Kontakte
zu Gudrun Burwitz, Himmlers Tochter.
     
    Pohlmann sichtete die weiteren Seiten
im Schnelldurchlauf und stieß auf die Fotos des getöteten Strocka, die er bei Lorenz
am Board gesehen hatte. In seiner Wohnung, im trüben Licht seiner Stehlampe, wirkten
sie noch erschütternder als einige Stunden zuvor. Erneut drängte sich ihm ein Bild
auf, eine lebendige Szene, wie der Täter nicht ein oder zwei Mal, sondern mehrfach
mit großer Wucht auf Strocka eingeschlagen haben musste. Es schien, als wollte er
ihn nicht nur töten, sondern ihn zerstören, ihn vernichten, ihn seine Wut spüren
lassen. Oder einfach nur seine Freude am Töten ausleben. Einen derart zerstückelten
Schädel hatte er in all seinen Dienstjahren nicht ein einziges Mal gesehen. Pohlmann
wandte seinen Blick von den Bildern ab, schlug heftig den Ordner zu und lehnte sich
zurück. Das war der Mord, von dem Lorenz erzählt hatte. Der Fall, den Schöller versaut
hatte: Indizien, keine Beweise. Schlampige Recherche, halbherzige Ermittlungen,
so hieß es in den Medien. Und nun, zwei Jahre nach diesem Mord, tauchten erstmals
Hinweise auf, die auf einen Mörder deuteten, wenn auch nur von einer schwachsinnigen
alten Frau aufgeschrieben, deren Aussage so unglaubwürdig war wie der Wetterbericht.
Von einer Emilie Braun, die nicht redete oder maximal zehn Worte in einer Stunde.
    Vor diesem
Hintergrund wurde nun auch klar, dass Schöller sauer auf ihn war, denn nachdem diese
Hinweise aufgetaucht waren, hätte man ihm die Chance geben müssen, seine Fehler
wettmachen zu können. Eine Art Nachbesserungsrecht. Er hätte nahtlos an die alten
Ermittlungen anschließen können. Dass man ihm den Fall dennoch entzog, obwohl

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