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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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Psychiaters
gewesen, jener Zunft, die er zwei Jahre zuvor nie wieder hatte in sein Leben eindringen
lassen wollen, hätte er sich in diesem Raum wohlgefühlt. Die warmen Brauntöne der
Möbel, die geschmackvollen Bilder an den Wänden und der Geruch eines Mannes, der
für viele wie ein Vater war, schien allem anzuhaften, was er berührte. Die Ruhe,
die ihn umgab, inspirierte ihn, über seinen Fall nachzudenken.
    Wer bringt
einen warmherzigen, sich um kranke Seelen kümmernden 70-jährigen Arzt um, und war
ebendieser Arzt vorher seinerseits in der Lage gewesen, das Leben eines anderen
zu nehmen, auch wenn es im Affekt geschehen wäre?
    Martin erhob
sich aus dem Sessel, strich sich über das im Nacken zusammengebundene Haar und gab
sich seinen Fragen hin .
    Er ging
in dem Büro auf und ab und suchte nach Hinweisen, die nicht ins Auge sprangen. Such
nach einer Spur, ermahnte er sich. Warum hatte Keller so ein Interesse an
Menschen, die in Lebensbornheimen aufgewachsen sind? Verdammt! Warum?
    Ein verwegener
Gedanke kam ihm, und unwillkürlich musste er lachen .
    Einen Grund
gäbe es.
    Doch der
wäre zu abwegig, um wahr sein zu können.
     
    Überall hatte Martin in diesem Büro
gesucht. Zumindest dort, wo es jeder getan hätte und wo Schöller und die Spurensicherung
ihre Finger im Spiel hatten. Wenn jemand möchte, dass bestimmte Dinge nicht für
jedermann zugänglich sein sollen, wo versteckt er sie dann? Es muss einen Bereich
geben, der privat ist, einen kleinen, unscheinbaren, winzigen Bereich, auf den niemand
kommen würde, dass man dort etwas verbirgt.
    Martin schritt
die Wände ab und strich über die Tapete. Er hob das eine oder andere Gemälde von
der Wand ab und hoffte auf einen Safe dahinter oder Ähnliches. In diesen Augenblicken
wusste er, dass dieses klischeehafte Versteck nicht existieren würde. Er ging zum
Schreibtisch zurück und ließ sich in den Stuhl davor nieder. Er schätzte den massiven
Sekretär auf gute 160 Jahre. Biedermeier, rief sich Martin ins Gedächtnis.
Ein Erbstück oder vom Antiquitätenhändler. Der Professor hatte einen edlen Geschmack
und umgab sich gern mit schönen Dingen. Daran bestand kein Zweifel. Vielleicht die
einzige Freude, die er sich gönnte.
    Martin legte
die Hände flach vor sich auf die grüne, lederne Fläche, als könne er über die Linien
und Furchen die Wahrheit in sich aufnehmen. Die geschmeidige Beschichtung war nahtlos
in das Holz der Umgebung eingearbeitet worden und bot dem Schreibenden eine ideale
Unterlage. Auf dieser Ablage hatte der Abschiedsbrief gelegen. Sieben Worte:
    Ich halte
meine Schuld nicht mehr aus.
    Keine Unterschrift.
Nichts. Mit dem Computer geschrieben und ausgedruckt. Hätte jeder schreiben können .
     
    Hier unterschrieb der Therapeut
unzählige Rezepte, verfasste Arztbriefe an überweisende Kollegen, legte ausführliche
Diagnosen dar, und auf dieser Fläche ruhten nun Martins Hände, deren Finger den
Rand zur umgebenden Tischplatte abfuhren.
    Bei genauer
Betrachtung schloss die Unterlage nicht bündig mit den Rändern ab. Ein feiner Spalt
war zu sehen. Martin zog aus seiner Jackeninnentasche die Brieftasche heraus und
entnahm seine Visa Card. Es war, wie er vermutet hatte. Die Karte ließ sich gut
einen Zentimeter versenken, am hinteren Rand verschwand sie fast. Pohlmann ließ
die Kreditkarte in seiner Brieftasche verschwinden und schob den Stuhl knarrend
zurück. Er klopfte mit dem Fingerknöchel auf die Tischplatte und konnte verschieden
dumpfe Töne heraushören. Links und rechts seiner Knie stieß er an die Unterschränke,
die er durchsucht hatte. Dort, wo sein Bauch bis an die Schreibtischkante reichte
und wo sich normalerweise eine frontale Schublade befand, war eine Blende. Der Raum
zwischen Tischober- und unterfläche war ungewöhnlich groß. Martin kam ein verwegener
Gedanke. Was wäre, wenn …? Er tastete den vorderen Bereich des Schreibtisches
ab. Die Blende vor seinem Bauch war unbeweglich, es war kein Mechanismus oder Haken
oder Verschluss zu ertasten. Es musste einen Raum geben, der den Abstand zwischen
grüner Schreibfläche und Unterseite ausfüllte. Es sei denn, die Platte wäre massiv,
was ebenfalls für einen Schreibtisch aus dieser Epoche nicht ungewöhnlich wäre.
Doch der hohle Klopfschall sprach dagegen. Er hatte mal von einem Schreibpult gelesen,
das ein Geheimfach besaß, nur wie es sich öffnen ließ, hatte man in dem Artikel
nicht verraten. Martin ruckelte an dem Tisch, drückte die Fingernägel in die

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