Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
oder Schuttbrocken hier oben, die zu einem kleinen Haufen aufgeschichtet waren. Einige dieser Steine waren von dem darauf entfachten Feuer von Ruß und Asche geschwärzt, andere am Rand liegende waren weiß oder gelblich. Auf und zwischen diesen Steinen befanden sich Reste von Grillutensilien, leere Getränkedosen und eben die Flasche als spätere Tatwaffe. Einige Wochen nach der Tat hat man die Steine gänzlich entfernt, und so sehen Sie hier in der Tat nur noch grünen Rasen. Das ist die Erklärung. Es ist damals alles fotografiert worden. Sie werden die Bilder in der Akte finden.«
Stephan betrachtete das Foto von der asservierten Flasche. Dann schlug er die Tatortskizze auf und vollzog sie nach. Gemäß Skizze lag Gossmanns Leiche zweieinhalb Meter vom Stamm der Eibe entfernt. Neben ihr, also etwa drei Meter von der Eibe entfernt, stand die Staffelei, auf der sich das zu den Asservaten genommene fast fertige Ölgemälde von Gossmann befand, welches das unter Denkmalschutz stehende Torhaus des Rombergparks und nebenan den kleinen Teich zeigte. Stephan zückte den mitgebrachten Zollstock und legte ihn gemeinsam mit Marie auf dem Rasen aus. Dann standen sie auf der Position, die den Fundort der Leiche von Gossmann markierte.
Marie sah auf die Tatortskizze und blickte sich anschließend um.
»Wenn er hier oder hinter seiner Staffelei stand, konnte er in der Tat die Stelle sehen, an der die behauptete Vergewaltigung der Michelle Crouchford stattfand«, sagte sie und deutete nach links unten auf den Fuß der Anhöhe. Dort befand sich hinter einem ausladenden Gebüsch, das sich nach links fortsetzte und den Blick auf den Parkweg versperrte, jenes Stück Wiese, auf der es zu Wendels Übergriff auf die Zeugin gekommen sein soll.
»Es passt alles – leider«, kommentierte Trost. »Sie können auch die Position der Eheleute Brandstätter unten auf dem Weg einnehmen«, schlug er Marie vor. »Dann werden Sie feststellen, dass man von dort weder den Standort Gossmanns noch den seiner Staffelei noch den Ort der Vergewaltigung einsehen kann. Hingegen kann man von dort gut hören, wenn jemand von hier den Namen Wendel ruft, ohne dass man dabei schreien müsste. – Denken Sie sich in den Tattag hinein. Es war ein heißer Tag kurz nach 18 Uhr. Es liefen noch etliche Spaziergänger durch den Park, wegen der Hitze aber wohl weniger als sonst üblich. Viele waren zu Hause geblieben oder schon wieder dort. Den Lärm der Straße, die am Park vorbeiführt, hört man hier nicht. Soweit es also sonst keine störenden Nebengeräusche gab, konnten die Brandstätters alles so wahrgenommen haben, wie sie ausgesagt haben. Es waren im Übrigen gänzlich unbeteiligte Zeugen. Wie Sie wissen, besitzen deren Aussagen regelmäßig den höchsten Wert.«
Stephan nickte und blätterte weiter durch die Fotos.
»Wie ist denn die Uhr der Michelle Crouchford zerstört worden?«, fragte er. »Unten, wo sie mit Wendel gekämpft haben will, lagen ja wohl keine Steine, oder waren dort früher auch welche?« Er blickte auf die Wiese, auf der die versuchte Vergewaltigung stattgefunden haben soll.
»Keine Ahnung.« Trost hob ratlos die Schultern. »Ich habe das damals auch hinterfragt, aber es gab keine eindeutige Antwort. Möglicherweise drückte ein Knopf oder Ähnliches von Wendels Hose auf das Uhrglas, vielleicht war es auch nur das Körpergewicht oder sonst eine Einwirkung, die das Glas hat splittern lassen. Wie Sie sehen, hat die Uhr ein recht großes Ziffernblatt. Also ist auch das Uhrglas relativ groß und deshalb für eine Beschädigung oder Zerstörung anfälliger als ein kleines. Immerhin muss davon ausgegangen werden, dass 18.05 Uhr ziemlich genau der Zeitpunkt des sexuellen Übergriffs auf die Studentin war. Die Polizei wurde von den Zeugen, an die sich die Crouchford nach der Tat gewandt hatte, per Handy um 18.09 Uhr gerufen. Zeitlich passt also alles zueinander. – Wie auch immer: Diese Frage konnte nicht geklärt werden, aber ihre Beantwortung war letztlich auch nicht entscheidend für den Ausgang des Prozesses.«
Stephan betrachtete in seinem Aktenauszug nun das Foto, das das von Gossmann gefertigte Gemälde zeigte. Er sah abwechselnd auf das Gemälde, dann die Anhöhe hinab auf das weit hinten liegende Torhaus und schließlich auf den rechts gelegenen Teich, an dem Kinder gerade wild durcheinander schnatternde Enten fütterten. Stephan konzentrierte sich wieder auf das Foto und verglich erneut das Motiv des Bildes mit der
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