Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Menschen geworden.«
Gereon Trost hob die rechte Hand wie zum Schwur, dann ließ er sie langsam sinken und reichte sie Stephan. Schweigend gingen sie nebeneinander ins Hotel zurück.
17
Maries Anruf weckte Stephan gegen zwei Uhr nachts aus seinem tiefen und dennoch unruhigen Schlaf.
»Hast du gerade auf unserem Festnetz angerufen?«, fragte sie, nachdem er sich träge gemeldet und ihrem knappen Satz entnommen hatte, dass sie böse auf ihn war, weil er sich bei ihr nicht mehr gemeldet hatte.
»Nein, ich habe nicht angerufen«, sagte er, so klar es ihm möglich war.
»Es hatte jemand kurz nach Mitternacht hier angerufen und vor rund zehn Minuten schon wieder«, sagte sie. »Immer, als ich mich meldete, hing der Anrufer ein. Elisa ist natürlich auch wach geworden und schreit. Es ist furchtbar.«
»Warum sollte ich mich nicht melden, wenn ich dich anrufe?«, fragte Stephan wie beiläufig. »Das macht doch keinen Sinn.«
»Ich weiß es nicht, vielleicht wegen einer technischen Störung.«
»Bei mir ist alles in Ordnung. Ich war noch mit Gereon unterwegs. Wir haben gut gegessen.«
»Und reichlich getrunken«, vermutete Marie.
Stephan antwortete nicht. Marie wusste, dass er gern und reichlich Wein trank, wenn sich die Gelegenheit bot.
»Gereon?«, vergewisserte sich Marie. »Seid ihr jetzt das Paar Gereon und Stephan?«
Er schwieg weiter.
»Dann hat er dich ja in Besitz genommen«, stellte Marie fest. »So einfach erschließt sich der Sinn der Reise.«
»Marie …«, wandte er ein und verstummte wieder. Er würde ihr jetzt nicht erzählen können, dass Trost die dubiose Villa angeblich nicht kannte, dass er sich als Mephisto und Marie als Gretchen bezeichnet hatte. Erst recht würde er ihr jetzt nichts über Gereons Angebot und noch weniger über dessen Bedingung sagen können.
»Ich war jedenfalls nicht der Anrufer«, sagte er.
»Das ist merkwürdig«, sagte sie leise. »Als ich mich mit Sarah Wendel getroffen habe, interessierte sich ein Typ in auffälliger Weise für Elisa in ihrem Kinderwagen. Er war mir unheimlich.«
»Aber er hat ihr nichts getan?«, vergewisserte sich Stephan.
»Nein, aber er war sehr penetrant.«
»Woher soll er unsere Telefonnummer kennen? – Es wird einfach ein dummer Zufall sein. Manchmal baut sich die Angst ihre eigenen Geschichten zusammen.«
»Du kommst morgen bestimmt nach Hause?«
»Natürlich, der Zug fährt gegen halb zehn. Am frühen Nachmittag bin ich da. Mach dir keine Sorgen. Schau nach, dass alle Fenster und Türen verschlossen sind. Und nimm das Handy mit ans Bett! Ich lege meins auch direkt neben mich auf den Nachttisch.«
»Heute ist ein Brief von Maxim Wendel hier eingetroffen«, sagte Marie. »Ich habe ihn geöffnet. Er ist unzufrieden und beklagt sich, dass er nichts von dir hört. Und er fragt, ob du in regem Kontakt zu Trost stehst. Er will wissen, ob dich dein Gereon inzwischen davon überzeugt hat, aufzugeben. Was willst du ihm antworten?«
18
Auf der Rückfahrt von Leipzig hatte Trost vorgeschlagen, sich nun auf die Flasche zu konzentrieren, mit dem Maxim Wendel den Rentner erschlagen haben sollte. Die Flasche sei noch wichtiger als die mysteriöse Michelle Crouchford, befand er nach längerem Überlegen. Stephan griff Trosts engagierten Vorschlag dankbar auf. Außerdem kam er mit ihm überein, dass Trost ihn bei seinem nächsten Besuch Maxim Wendels in der Justizvollzugsanstalt in Werl begleiten solle. Die Fahrt nach Leipzig hatte also etwas Greifbares erbracht, was den Fall Maxim Wendel weiter nach vorn zu bringen versprach und seinem Mandanten Hoffnung machen konnte. Trosts Vorstoß half, Maries Bedenken zu relativieren, wonach Maxim Wendels früherer Verteidiger möglicherweise gegen dessen Interessen gehandelt haben könnte.
»Allein der Umstand, dass er jetzt mit mir nach vorn marschiert, zeigt, dass er seine Versäumnisse in diesem Fall korrigieren will«, erklärte Stephan nach seiner Rückkehr. »Warum sollte er das sonst tun? Denk daran, dass er zu Anfang einer Wiederaufnahme des Verfahrens skeptisch gegenüberstand. Es ist uns gelungen, seine Ansicht zu erschüttern. Er überprüft alles und ist zerknirscht, dass er auf manche Dinge nicht vornherein selbst gekommen ist. Jetzt erkennt er die sich aufdrängenden Fragen. Ich bin ganz sicher! Er marschiert mit uns, Marie!«
Sie lächelte süffisant.
»Ich bin mir nicht so sicher, wer hier mit wem marschiert …«
Marie berichtete Stephan von ihrem Treffen mit Sarah Wendel, von ihrer
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