Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin
als solche eingesetzt werden konnten, nicht einmal vom jeweiligen Patron. Sie trugen nur bei sich, was in den Ledertaschen an ihrem Gürtel Platz hatte, und lernten Nachrichten eher auswendig, anstatt Schriftrollen mit sich zu führen. Indem er Tzigones Tasche angenommen hatte, hatte er gegen die Tradition und gleich mehrere Kernvorschriften verstoßen, und da er sie nicht gefragt hatte, was sich in dem Sack befand, hatte er sich als so naiv erwiesen, wie sie ihn bezeichnet hatte.
»Was ist da drin?« wollte er wissen.
Er wartete nicht auf ihre Antwort, sondern machte die Tasche auf und steckte die Hand hinein. Seine Finger legte sich um einen glatten, festen Zylinder. Er holte ihn heraus und betrachtete mit wild pochendem Herz das Kästchen aus Leder und Holz, das der Aufbewahrung von Schriftrollen diente.
»Ein Zauberbuch«, flüsterte er fassungslos. »Du hast mir gesagt, du seiest keine Magierin.«
»Man muß keine Magierin sein, um den Preis solcher Dinge zu kennen«, gab Tzigone zurück. »Auf dem Markt wird das guten Profit bringen, vorausgesetzt, ich verkaufe es nach Einbruch der Nacht und weit weg von diesem Teil der Stadt.«
Erleichterung machte sich in Matteo breit. Die Reaktion überraschte ihn genauso wie die Erkenntnis, daß es leichter für ihn war, wenn Tzigone eine Diebin war, aber keine Magierin. Natürlich konnte er ihren Diebstahl nicht gutheißen, doch in seiner Welt konnten Magier nur zwei Rollen spielen: Patrone, denen man diente, oder Feinde, die man überlisten und besiegen mußte.
Der Gedanke an den Kampf veranlaßte ihn zu einem Blick auf die geheime Markierung auf dem Kästchen, um nach einem Hinweis auf die Schule und die Macht des Magiers zu suchen, dem die Schriftrollen gehörten. Das war von Bedeutung, da ein Kampf nach Möglichkeit vermieden werden mußte. Allerdings bezweifelte er, daß der um sein Eigentum betrogene Magier ihm die Zeit für eine Erklärung geben würde.
Nach kurzer Suche entdeckte er auf dem dunklen Holz eine leichte Gravur: die Umrisse eines Raben, der auf der Spitze eines Dreiecks saß. Es gab Symbole für den Tod und die Erneuerung, die er bot, also war anzunehmen, daß es sich um das Eigentum eines Nekromanten handelte.
Matteo verzog den Mund und ließ das Kästchen zurück in den Beutel fallen. Nekromanten galten nicht als die ehrbarsten oder mächtigsten Magier Halruaas, aber es gefiel ihm nicht, mit ihnen zu tun zu haben.
»Was ist los?« fragte Tzigone rasch.
»Abgesehen von der Tatsache, daß du mich schon wieder Diebesgut durch die Stadt tragen läßt?« gab er zurück.
Tzigone sah ihn eindringlich an. »Ich will dir nicht zu nahe treten, aber der Diebstahl scheint dich nicht allzu sehr zu stören. Als ich dir sagte, ich habe diese Schriftrolle mit der Absicht erworben, sie wieder zu verkaufen, hast du einen erleichterten Eindruck gemacht. Also nehme ich an, daß ich gegen irgendeine deiner wichtigen Jordaini-Regeln verstoßen habe.«
Einen Moment lang dachte Matteo wirklich darüber nach, ob er sich vielleicht zu sehr um die Regeln seines Ordens kümmerte als um die einfache Frage nach dem, was richtig und was falsch war. Diebstahl war seiner Meinung nach falsch, während das für Magie streng genommen nicht galt. Aber auch wenn die Zusammenarbeit mit Dieben kaum etwas war, das man akzeptieren konnte, konnte die Freundschaft zu einem Magier ihm gar den Tod bringen. Das erschien ihm unverhältnismäßig.
Er machte sich im Geist eine Notiz, darüber später nachzudenken, während er jetzt erst einmal Tzigone die Situation erklärte.
»Ein Jordain darf keine Magie nutzen und auch nicht dafür bezahlen, daß sie für seine Zwecke zur Anwendung kommt. Er darf magische Gegenstände weder besitzen noch nutzen. Er darf keine Beziehungen zu Magiern haben. Selbst der Umgang mit magischen Gegenständen ist verdächtig. Die Reinheit des Ordens wird von den Bluthunden und dem Jordaini-Rat überwacht, und die Strafen für eine Verletzung dieser Regeln sind drastisch.«
Tzigone verzog das Gesicht. »So arg? Mach dir keine Sorgen. Bei Tagesanbruch bin ich das Ding los«, sagte sie und ergriff den Beutel.
In dem Moment wurden sie von einem Fußgänger angerempelt, und der Beutel entglitt Matteo. Tzigone machte einen Satz, erreichte ihn aber nicht mehr. Der Beutel schlug auf dem Pflaster auf.
Sofort zuckte ein Blitz aus geheimnisvollem Licht aus dem Beutel, der dunkler als ein tiefes Karmesinrot war und sich wie eine unnatürlich schnelle Schlange
Weitere Kostenlose Bücher