Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
mußt!« gab Matteo aufgebracht zurück. »Bei den Göttern, Andris, was tust du hier?«
Der geisterhafte Jordain ging auf Distanz. »Das, was ich für richtig halte. Geh du deinen Weg, aber laß mich meinen Weg gehen.«
»Du weißt, daß ich das nicht kann. Kiva muß gefunden und aufgehalten werden. Die Crinti-Räuber sind meine einzige Verbindung zu ihr.«
Noch als er sprach, erkannte er, daß seine Worte falsch waren. Der erschütterte Ausdruck auf Andris’ durchscheinendem Gesicht zwang Matteo, sich die volle, schmerzhafte Wahrheit einzugestehen.
»Du kämpfst wieder mit Kiva«, stieß er fassungslos hervor. «Und auch noch mit den verfluchten Crinti! Andris, was könnte es geben, das ein solches Handeln rechtfertigen kann?«
»Halruaa«, erwiderte Andris knapp. »Mein Schwur als Jordain. Das Unrecht, das meinen Elfenvorfahren angetan wurde.«
»Kiva ist eine Verräterin an Halruaa. Wie kann man einem Land dienen, wenn man jener folgt, die es verraten hat?«
»Urteile nicht über mich, Matteo«, warnte Andris. »Und um unser beider Willen: Halte mich nicht auf.«
Einen Moment lang stand Matteo da, hin- und hergerissen zwischen seinen eigenen widerstreitenden Loyalitäten und dem Flehen in Andris’ Augen. Er warf das Schwert fort. Andris lächelte erleichtert und traurig zugleich, doch sein Lächeln erstarb sofort wieder, als Matteo seine Jordaini-Dolche zog.
»Komm mit mir zurück, Andris«, sagte er ruhig.
Statt einer Antwort zog der geisterhafte Jordain selbst einen Dolch und ging in Abwehrstellung.
Matteo unternahm einen letzten Versuch. »Ich möchte nicht mit dir kämpfen, mein Freund.«
»Wen wundert’s? Normalerweise verlierst du gegen mich.«
Andris’ Hand zuckte vor, der Dolch verhielt jedoch ein gutes Stück vor Matteos blitzschneller Parade. Doch die Jordaini-Klinge war nicht Andris’ wirkliche Waffe. Mit der freien Hand warf er Matteo eine Ladung funkelnden Pulvers ins Gesicht.
Das Pulver ließ unvorstellbare Schmerzen in Matteos Kopf explodieren, verbrannte ihn, machte ihn blind. Er ließ seine Dolche fallen und taumelte nach hinten, während er seine Hände auf die weißglühende Agonie seiner Augen preßte.
Seltsam distanziert nahm Matteo den kurzen Schlag unterhalb seiner Rippen wahr. Der Schmerz war ein Flüstern im Vergleich zu dem Inferno, das über seine Augen hereingebrochen war, dennoch reagierte sein Körper, indem er zusammenklappte. Zwei harte, präzise plazierte Schläge ins Genick brachten ihn dann endgültig zu Fall.
Wie aus weiter Ferne hörte Matteo Andris reden. In seiner Stimme lag etwas wie Bedauern. »Die Wirkung des Pulvers läßt bald nach. Versuch bis dahin, nicht zu heftig zu reiben. Aber folge mir nicht, Matteo. Beim nächsten Mal werde ich vielleicht nicht in der Lage sein, dich gehen zu lassen.«
* * *
Von einem Felsvorsprung hoch oberhalb der Lichtung beobachtete Kiva den Kampf zwischen Andris und Matteo. Sie mußte unwillkürlich lächeln, als der lästige Jordain zu Boden ging. Wie vermutet, war Andris vollends auf ihrer Seite. So wie die Crinti legte auch er einen so großen Wert auf seine Elfenherkunft, daß alles andere an Bedeutung verlor. Das wurde spätestens dadurch klar, daß Andris sich gegen seinen besten Freund und Jordain gewandt hatte.
Das bedeutete Kiva mehr, als sie sich eingestehen wollte. Sie hatte Andris ausgewählt, lange bevor sie von dessen Herkunft wußte. Sie hatte ihn aus dem einfachen Grund gewählt, daß er nicht Matteo war. Über Matteos Herkunft war sie seit langem informiert gewesen. Die Tatsache, daß Andris und Matteo Freunde waren, störte sie genauso wie die unbegreifliche Freundschaft zwischen Matteo und Tzigone. Kivas nächtliche Traumruhe war mehr als einmal von der Furcht heimgesucht worden, daß diese drei Menschen durch ein Schicksal miteinander verbunden waren, das keiner von ihnen völlig verstand.
Die Elfenfrau begab sich zurück ins Lager der Crinti und suchte nach Shanair. Sie beschrieb ihr Matteos Aussehen und wies sie an, sich eine Gruppe von Kriegerinnen zu nehmen und ihn sowie jeden seiner Begleiter in die heimgesuchten Berge zu locken. Sie betonte, daß die Männer auf jeden Fall am Leben gehalten werden sollten, bis Shanair eine anderslautende Anweisung erhielt.
Nachdem die Crinti-Kriegerin widerwillig dieser Einschränkung zugestimmt hatte, nahm Kiva ihre Kugel des Sehens und machte sich auf die Suche nach einem ruhigen Fleckchen, wo sie sich ungestört mit einem gewissen Magier unterhalten
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