Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
konnte. Sie hatte mit ihm seit Jahren keinen Kontakt mehr gehabt, und es würde keine leichte Aufgabe werden, ihn im allumfassenden silbernen Gewebe der Magie ausfindig zu machen.
Kiva brauchte fast den ganzen Morgen, bis ihr Zauber erfolgreich war. Und selbst nachdem sie die Verbindung gefunden hatte, dauerte es eine Weile, bis der Magier reagierte. Dann endlich tauchte sein Gesicht in der Kugel auf. Kiva verzog angewidert das Gesicht. Die Jahre waren nicht gnädig mit dem Mann gewesen. Er war mager, sein Haar war schütter, und der verstohlene Gesichtsausdruck ließ ihn irritierend wie ein haarloses Frettchen aussehen.
»Verdammt, Kiva! Nach all den Jahren mußt du dir ausgerechnet diesen Moment aussuchen?« zischte er.
»Schwierigkeiten, mein Lieber?« sagte sie spöttisch. »Ich hätte nicht gedacht, daß du in der Lage bist, irgend etwas so interessantes hervorzubringen.«
»Wo bist du gewesen? Was ist los?«
»Zweifellos hast du davon gehört, daß ich im Sumpf von Akhlaur gefangengenommen wurde.«
»Ja, und ich weiß auch, daß die Bruderschaft von Azuth dich exkommuniziert hat. Das hat dir sicher das Herz gebrochen.«
Kiva lachte gehässig. »Ja, aber mein Glaube an den sogenannten menschlichen Gott der Magie wird mich in dieser schwierigen Zeit aufrecht halten. Aber genug geschwatzt. Der Kampf rückt näher, und wir müssen all unsere Waffen entfesseln, sonst werden wir kläglich scheitern! Du wirst den Zauber wirken, den wir vorbereitet haben.«
Der Magier schüttelte den Kopf. »Du weißt, daß ich das nicht kann. Nach dem Zwischenfall mit dem Kobold hat Keturah von mir das Wort eines Magiers gefordert, niemals ein Geschöpf herbeizurufen, das ich nicht verstehe oder das ich nicht kontrollieren kann. Der Tod ereilt jeden Magier, der einen derartigen Schwur bricht.«
Die Elfe hob eine ihrer jadegrünen Augenbrauen. »Damit kann ich leben.«
»Ich kann aus offensichtlichen Gründen nicht damit nicht leben. Zum Glück bleibt es mir aber ohnehin erspart.«
Kivas goldene Augen leuchteten auf. »Du hast das Mädchen?«
»Ich habe sie in der Hand«, sagte Dhamari Exchelsor mit überheblichem Grinsen. In wenigen Worten schilderte er die Ereignisse der letzten Tage und erläuterte seine neue Beziehung zu Tzigone. »Wir sind jetzt auf dem Weg nach Norden. Keturahs Bastard hat den Zauber, den wir benötigen, noch nicht gelernt. Aber sie wird ihn beherrschen, wenn wir im Nath ankommen.«
»Das hast du gut gemacht«, sagte Kiva. »Überraschenderweise! Diese kleine Tzigone ist ein heller Kopf und hat allen Grund, dir zu mißtrauen. Wie hast du sie überzeugen können?«
»Ich habe zur Abwechslung einmal versucht, so oft wie möglich die Wahrheit zu sagen. Die Vorwürfe gegen Keturah sind öffentlich bekannt, es war also keine Schwierigkeit für sie, eine Bestätigung zu bekommen. Aber es war schon geschickte Magie erforderlich, um sie und den Jordain Matteo von meinem ehrlichen Charakter und meinen guten Absichten zu überzeugen.«
»Jetzt weiß ich, daß du lügst«, sagte sie bissig. »Erstens bist du nicht besonders geschickt. Zweitens hast du keinerlei Charakter, und drittens hegst du nie gute Absichten. Darüber hinaus können weder Matteo noch Tzigone mit magischen Mitteln von irgend etwas überzeugt werden.«
»Ja, aber der Zauber lag nicht auf ihnen, sondern auf mir! Keturahs Talisman? Der, der seinen Besitzer vor mir und meinen Mitteln beschützt? Ich habe ihn nachbilden lassen. Ich gab Matteo die Kopie, damit er sie an Tzigone weiterreichte. Keturahs echten Anhänger trage ich zu meinem eigenen Schutz bei mir.«
»Der beschützt dich nur vor dir selbst«, warf sie ein.
»Genau das«, bestätigte Dhamari nicht ohne Stolz. »Seit der Jordain und dieses Weib im Augenblick die größte Bedrohung für meinen Erfolg darstellen, beschützt der Talisman mich, indem er dafür sorgt, daß ich nichts tue, was meine wahren Gedanken und Absichten verraten könnte.« Das Lächeln des Magiers strotzte vor Zufriedenheit über sich selbst. »Wenn du deine Beleidigungen zurücknehmen möchtest, werde ich großzügig lauschen.«
»Bring einfach nur Tzigone zum Nath, und das so schnell wie möglich. Sorge dafür, daß sie auf dem Weg den Zauber erlernt!«
Kiva strich mit der Hand über die Kugel und wischte das Bild des grinsenden menschlichen Frettchens fort, dann steckte sie sie in ihre Tasche und begann, in die steile Schlucht hinabzuklettern, die zu einem kleinen, gut versteckten Tal führte.
Der Boden
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