Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
leuchten. Überrascht legte sie eine Hand auf den kühlen Stein. Die Magie, die summend der Kugel entstieg, war die Signatur von Zephyrs Zauber – vertraut, aber verändert.
Behutsam öffnete Kiva den magischen Pfad. Ein Gesicht tauchte in der Kugel auf, neblig und grau wie das einer Crinti, ohne Form und Kontur. Der Magier konnte alt oder jung sein, ein Mann oder eine Frau, ein Elf oder ein Ork. Doch Kiva hatte viele Jahre damit verbracht, Ausspähungsgeräte zu sammeln und sich mit ihren Eigenschaften vertraut zu machen. Sie wirkte einen Gegenzauber und sah, wie sich der Nebel verzog, um das wahre Aussehen ihres »Besuchers« zu enthüllen. Es war das Gesicht eines Mannes mit stechenden schwarzen Augen und Hakennase.
Ihre Kehle zog sich zusammen, als sie Procopio erkannte, den Magier, in dessen Diensten Zephyr gestanden hatte. Wenn der Mann genug wußte, um sie hier zu finden, dann sollte sie besser in Erfahrung bringen, wieviel mehr er wußte.
Kiva grüßte ihn mit seinem Namen.
Der Magier zwinkerte überrascht. Er erwiderte die Begrüßung und sprach Kiva mit ihrem verlorenen Titel der Inquisitorin an. Dann folgte die übliche Abfolge bedeutungsloser Floskeln, die Halruaaner bei jeder Gelegenheit herunterleierten.
Kiva stieß hart gegen die Kugel und brachte Procopio zum Schweigen. »Was wollt Ihr?«
«Vielleicht will ich nur etwas prahlen«, gab Procopios Abbild zurück. »Ihr habt mir Zephyr genommen, aber ich konnte einen anderen fehlgeleiteten Jordain retten. Erinnert Ihr Euch an Iago, meinen Rittmeister? Er ist seit dem Kampf in Akhlaurs Sumpf der große Held. Sein Ruhm strahlt auf meinen Haushalt ab, daher will ich mich vielleicht bei Euch bedanken.«
Vielleicht, dachte Kiva grimmig, ist Procopio nur ein aufgeblasenes Windei. Sie reagierte mit einer nichtssagenden Bemerkung: »Iago ist ein fähiger Mann.«
»Sehr fähig«, stimmte Procopio zu. »Er ist ein exzellenter Fährtensucher und hat ein hervorragendes Gedächtnis. Die Karten, die er von seinen Reisen anfertigt, sind äußerst bemerkenswert. Er ritt durch den Nath, als er von Crinti entführt wurde. Ich könnte mir vorstellen, das war eine schreckliche Erfahrung für ihn. Man sagt, nur wenige Geräusche können das Blut so gefrieren lassen wie ihr Schlachtruf.« Er neigte den Kopf zur Seite, als lausche er auf die Rufe und Flüche, die vom nahegelegenen Strom zu ihr drangen.
Kein Windei, dachte Kiva, ein gefährlicher Mann. Dennoch würde sie nicht mit sich spielen lassen. »Was wollt Ihr?« fragte sie ohne Umschweife.
Procopio lächelte. »Sagt mir, Inquisitorin, was gibt es neues in den fernen Nordlanden?«
»Wie kommt Ihr darauf, daß ich das wissen könnte?«
Procopio hob die weißen Brauen. »Ich bin bereit, Informationen zu teilen, auch wenn Ihr es nicht seid, Kiva. Ich hatte vor kurzem Besuch von Matteo. Er sucht Euch.«
»Wie schlimm«, entgegnete Kiva gelangweilt. »Vielleicht werde ich deswegen im Laufe des Tages noch ohnmächtig.«
»Er ist ein hartnäckiger junger Mann«, fuhr Procopio fort, als hätte er Kiva nicht gehört. »Er versucht, Königin Beatrix davon zu überzeugen, Iago anzuheuern. Da Zalathorms mondsüchtige Königin einen weiteren Jordain so wenig braucht wie eine Katze einen zweiten Schwanz, müssen wir davon ausgehen, daß Matteo für meinen Jordain eine Aufgabe hat – und daß er seine Karten und Erinnerungen braucht.«
»Euch scheinen immer wieder die Ratgeber wegzulaufen«, gab Kiva kühl zurück und überspielte das Unbehagen, das in ihr wuchs.
»Ja. Ihr habt meinen Stall mit schöner Regelmäßigkeit geplündert, Kiva. Ich wüßte gern den Grund dafür.«
»Ich bin sicher nicht die erste Magierin, die Verwendung für magieresistente Diener hat.«
»Wenn Ihr glaubt, Ihr könntet Matteo benutzen, dann solltet Ihr Euch das noch einmal überlegen. Ich habe ihn nicht als besonders geduldiges Werkzeug kennengelernt.«
»Das gilt auch für seinen Vater, und trotzdem halte ich ihn für nützlich.«
Procopio schwieg, als er über diese als Lüge getarnte Wahrheit nachdachte. Die Jordaini waren Nachkommen von Magiern, und kein Halruaaner würde glauben, daß ein Magier einer Elfe unterstehen könnte. »Auf wessen Geheiß handelt Ihr?« fragte Procopio das Naheliegende.
Kiva lachte höhnisch. »Kein Magier hat mich an der Leine. Ich bin meine eigene Herrin.«
Zu ihrer Überraschung sah sie in Procopios Augen Erleichterung, nicht die erwartete herablassende Ungläubigkeit.
»Wie glaubt Ihr, von einem
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