Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
dein Leben retten könnte. Du solltest darüber nachdenken.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Das werde ich. Hast du für dich selbst irgend etwas erfahren?«
Einen Moment lang sah Matteo sie irritiert an. »Du meinst über Kiva?«
Tzigone verdrehte die Augen und zog die Weinkaraffe zu sich. »Davon hast du jetzt ja wohl genug. Erinnerst du dich noch an Kiva? Gelbe Augen, grünes Haar, schwarzes Herz?«
»Es scheint, als könne man nirgends in dieser Stadt mehr über sie erfahren«, sagte er frustriert. »Der Tempel des Azuth weigert sich, mit mir etwas zu tun zu haben. Zephyr und Cassia sind tot. Ich habe die wenigen Elfen in der Stadt aufgesucht, aber niemand weiß etwas über Kiva oder hat mit ihr zu tun.«
»Vielleicht stellst du die falschen Fragen«, sagte Tzigone und hielt die Karaffe schräg, um sich noch einmal einzuschenken, aber nur ein einziger goldener Tropfen fiel in ihren Kelch. Tzigone seufzte resigniert und nahm ihr Messer, um es in den Gürtel zurückzustecken. Das Tafelsilber ließ sie liegen – nicht ohne ein gewisses Bedauern. Matteo stand auf und ging um den Tisch herum, damit er ihren Stuhl zurückziehen konnte, was ein angemessenes Verhalten eines Jordain gegenüber einer Dame war, die Magie beherrschte. Tzigone erschauderte bei dem Gedanken.
»Was ist los?« flüsterte er.
»Dame«, murmelte Tzigone. »Magierin.«
Matteo brauchte keine Erklärung, er wußte sehr gut, wie unwohl sich Tzigone in der Rolle fühlte, in die sie geschlüpft war. »Herrin«, gab er zurück und verneigte sich mit gespielt entsetztem Gesicht.
Sie mußten beide laut lachen und zogen entrüstete Blicke der anderen Gäste auf sich. Als sie aus dem kühlen Luxus des Gasthauses in die Hitze der Straße traten, mußten sie noch immer kichern.
Plötzlich fiel Tzigone etwas ein. Sie blieb abrupt stehen und packte Matteo an Arm. »Wir haben nicht bezahlt! Lauf!«
Er sah sie ungläubig an, dann mußte er laut lachen. Tzigone verschränkte die Arme und sah ihn wütend an, während er sich wieder sammelte.
Matteo wischte sich eine Träne fort und griff nach seinem Jordaini-Medaillon. Sein Gesicht nahm einen vertraut pedantischen Ausdruck an, doch das Rumpeln eines sich nähernden Eiswagens übertönte seine Worte.
Als der Wagen auf gleicher Höhe mit ihnen war, wurde plötzlich die hintere schwere Plane zur Seite gerissen. Zwei Männern beugten sich vor, bekamen Tzigone zu fassen und zerrten sie auf den Wagen.
* * *
Der Angriff kam überraschend. Eben hatte Matteo Tzigone noch erklären wollen, daß Jordaini nur selten Geld mit sich führen, was mit der Theorie zu tun hatte, daß sie auf diese Weise nicht so schnell seinen Verlockungen erliegen würden. Ebenso galt, daß Jordaini keine zu engen Freundschaften aufbauen sollten, da man befürchtete, diese könnten sich auf ihre Urteilsfähigkeit auswirken und den von ihnen erteilten Rat beeinflussen.
Für die Dauer eines Herzschlags verstand Matteo, warum dies der Fall sein konnte. Das einzige, was ihn in diesem Moment interessierte, war die wild zappelnde junge Frau, die von den beiden Verbrechern gepackt wurde. Er rannte los.
Die Plane rutschte weg und gab den Blick frei auf ein grinsendes bärtiges Gesicht. Ein dritter Mann, groß und behaart war wie die Barbaren aus den Nordlanden, warf ein blaßblaues Gewand auf die Straße. Es war mit dem identisch, das Tzigone trug. Auch wenn sich das alles innerhalb kürzester Zeit abspielte, sah Matteo, daß ein Teil dieses Gewands blutrot verfärbt war.
Die Botschaft war klar.
Matteo rannte, so schnell er konnte, und wünschte sich zum ersten Mal in seinem Leben, magische Fähigkeiten zu haben, um den Eiswagen bremsen zu können. Als wollte sich der Kutscher über ihn lustig machen, zog er an den Zügeln der Pferde, worauf der Karren in einem plötzlichen Spurt nach vorne schoß.
Verzweifelt setzte Matteo zu einem letzten Satz an. Er verpaßte den Eiswagen, bekam aber das Ende eines Seils zu fassen, mit dem sonst die hintere Plane festgezurrt war. Matteo nahm kaum wahr, daß er über das Pflaster gezerrt wurde, sondern zog sich Stück für Stück an den Wagen heran. Er fand Halt an der Hinterachse und krallte sich fest, während der Eiswagen durch die Stadt rollte.
Kinder zeigten auf ihn, Passanten sahen ihn erstaunt an, aber niemand schlug Alarm. Der Wagen raste dahin, aber das war nichts ungewöhnliches in einem Land, das so heiß war, daß Eis schneller schmolz als der Feuerball eines Magiers verging.
Matteo
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