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Ratgeber & Regenten 03 - Der Krieg der Magier

Ratgeber & Regenten 03 - Der Krieg der Magier

Titel: Ratgeber & Regenten 03 - Der Krieg der Magier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Cunningham
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wenn sie wieder hinsah.
    Doch dies war nicht der Ort, an dem sich Alpträume vertreiben ließen.
    Die monströse Illusion war mit keinem Wesen vergleichbar, das sie kannte. Als sie dieses Geschöpf zum ersten Mal versehentlich beschworen hatte, hatte Matteo ihr erklärt, daß es ein derartiges Wesen seit fast 300 Jahren nicht mehr gegeben hatte. Der seit langem ausgestorbene Greif hatte einen riesigen Drachenrumpf, lederne, spärlich gefiederte Flügel und einen primitiven Vogelkopf. Um den Hals trug er eine dichte Mähne, und er hockte auf kraftvollen, löwenähnlichen Hinterläufen.
    Das Monster trieb seinen gekrümmten Schnabel tief in den Kadaver und warf dann abrupt den Kopf hin und her. Ein übelkeiterregendes, schmatzendes Geräusch war zu hören, als Fleisch losgerissen wurde, gefolgt vom Brechen feiner Knochen.
    Tzigone preßte die Faust gegen den Mund und versuchte, das Entsetzen durch Dankbarkeit zu ersetzen. Immerhin hatte der Greif sie wenigstens vorübergehend vor den Feen und ihrer unablässigen Folter bewahrt. Diese war zwar überwiegend nur Illusion, nichtsdestoweniger aber schmerzhaft.
    Irgendwie war es den Finsteren Feen gelungen, in ihren Verstand und in ihr Herz vorzudringen. Sie quälten sie mit allem, was sie in den dunklen Ecken finden konnten und dem, was Tzigones reger Phantasie entsprang. Der riesige Greif aber war der Beweis, daß sie selbst auch nicht vor der tödlichen Wirkung der Illusionen geschützt waren.
    Tzigones flinker Geist eilte voraus, um sich Gedanken über ihre Flucht zu machen. Es mußte einen Weg aus dieser grauen Welt geben. Sie und Matteo hatten schon früher gegen die Finsteren Feen gekämpft, und dabei hatte sie erkannt, daß Matteo wenig über ihre Gegner bekannt war. Das war ein schlechtes Zeichen, da Tzigone der Ansicht war, daß Matteo mehr über diese Kreaturen wußte, als die Götter vergessen hatten. Wenn er ihnen schon nichts entgegensetzen konnte, welche Chance hatte sie dann?
    Andererseits hatte Dhamari Exchelsor gewußt, wie man den Schleier zwischen den Welten öffnet. Offenbar gab es einen Zauber, und dann würde Matteo ihn auch finden.
    »Dhamari«, murmelte Tzigone und erinnerte sich plötzlich daran, daß er ihr Exil teilte. Unter Schmerzen stand sie auf und bewegte zaghaft ihre kühlen Glieder. Nach ein paar vorsichtigen Schritten machte sie sich daran, den Verräter zu finden.
    Lange lief sie durch den wirbelnden Nebel, bis sie schließlich frustriert und müde gegen einen großen Pilz trat. Sie sah zu, wie dessen Sporen in einer aufgebrachten Wolke aufstiegen. In diesem Tempo würde sie Dhamari nie finden. Wenn sie illusionäre Geschöpfe entstehen lassen konnte, dann doch sicher auch eine Meute Jagdhunde.
    Der Gedanke behagte Tzigone aber nicht. Während der Zeit, in der sie auf der Straße gelebt hatte, war sie zu oft von Wachhunden verfolgt worden, um sich jetzt für sie begeistern zu können. Außerdem konnte sich ein derartiges Unterfangen als gefährlich und unberechenbar entpuppen, selbst in der Welt, die ihr vertraut war. Sie erinnerte sich an den Eulenbären, der über ihre Mitreisenden hergefallen war, und verbannte diesen Gedanken mit aller Macht. Solche Erinnerungen konnten hier tödlich sein. Statt dessen stellte sie sich Dhamari Exchelsors entsetztes Gesicht vor, als sie ihn mit sich hinter den Schleier gerissen hatte.
    Ein schwaches Wimmern ertönte und riß sie aus ihren Gedanken. Sie öffnete die Augen gerade noch rechtzeitig, bevor sie über den Magier stolperte.
    Exchelsor lag zusammengerollt wie eine neugeborene Maus am Boden. Sein spärliches Haar war schweißnaß, und seine starren, glänzenden Augen verrieten, daß er von nicht endenwollenden Alpträumen geplagt wurde. Der Magier war in seinem Verstand gefangen und wurde von seinen eigenen Untaten gequält. Tzigone konnte sich keine größere Gerechtigkeit vorstellen.
    Doch gerecht oder nicht – Dhamari war in diesem Zustand für sie nicht von Nutzen.
    Seufzend ließ Tzigone sich neben dem komatösen Magier nieder und legte ihm eine Hand auf die klamme Schulter. Er fühlte sich fast so kalt an wie der Nebel. Sie rieb seine Hände und bemerkte eine Kette, die zwischen seinen Fingern hing. Neugierig zog sie daran, bis ein kleines Medaillon aus seiner geballten Faust glitt – ein einfaches, vertraut aussehendes Ornament aus mattem Metall.
    Stirnrunzelnd tastete sie ihren Stiefel ab, in dem sie das Medaillon ihrer Mutter versteckt hatte, und stellte fest, daß es fort war.

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