Ratgeber & Regenten 03 - Der Krieg der Magier
Sinne wahrgenommen hatten: Eine düstere, üble Kreatur war in ihr Heim eingedrungen.
Keturah wirkte einen Hellsichtszauber. Tentakel aus gallegrünem Nebel – die Manifestation eines mächtigen Suchzaubers – bewegten sich durch die Luft. Ernst folgte sie ihnen in den Turm und die Wendeltreppe hinauf. Aus einem Raum hoch oben barst mit einem Mal eine Kakophonie hervor, die den Nebel als Wegweiser überflüssig machte.
Keturah eilte die letzten Stufen hinauf und rannte zum Hauptlabor. Die schwere Holztür war zu, bog sich aber und zitterte, als würde sie von der anderen Seite aus von einer unbekannten Macht traktiert. Keturah beschwor einen Feuerball und hielt ihn hoch erhoben in einer Hand, während sie mit der anderen die Tür aufriß und sofort zur Seite sprang.
Die Tür schlug heftig gegen die Wand, als ein Gewirr aus sich hebenden, senkenden und windenden Ranken in den Korridor platzte. Dichte Rauchwolken folgten und verbreiteten den ätzenden Geruch von Schwefel.
Keturah konnte zwar nicht in den Raum sehen, doch sie nahm verschiedene Geräusche wahr: Glasflaschen, die zerschlagen wurden, das Knistern eines Feuers, der Aufprall unbezahlbarer Zauberbücher gegen eine Wand, Möbelstücke, die umgeworfen wurden. Das Stöhnen eines Mannes klang nach Schmerz und Verausgabung, während eine hübsche, glockenhelle Sopranstimme einen schrillen Gesang anstimmte. All das wurde überlagert von einem grellen, kranken Kichern, das in den Ohren schmerzte, als zöge man Fingernägel über eine Schiefertafel.
»Ein Kobold«, murmelte Keturah. Sie ließ ihren Feuerball einem riesigen Glühwürmchen gleich in der Luft schweben und zerrte mit beiden Händen an den Ranken, die den Eingang blockierten. »Diese Trottel haben einen Kobold beschworen!«
Sie schuf eine kleine Öffnung und zwängte sich hindurch. Einen Moment lang blieb sie stehen und begutachtete das Ausmaß des angerichteten Chaos.
Ein edel gekleideter junger Mann trampelte hektisch auf einem qualmenden Teppich herum. Seine Stiefel qualmten, sein schmales Gesicht war von Schrecken gezeichnet und rußüberzogen. Er hob mit einer Hand den Dolch und schlug vergeblich nach der Kreatur, die ihn wie eine zu groß geratene Mücke umkreiste.
Sein Angreifer war tatsächlich ein Kobold, noch dazu ein besonders schlimmer. Sein Körper hatte die Größe einer Hauskatze, er hatte große fledermausartige Flügel, eine gelbliche Haut und ein abscheuliches Gesicht, das von einer krummen Knollennase beherrscht wurde.
Der Kobold war nicht untätig gewesen. Teppiche und Vorhänge zeugten von Angriffen seiner Klauen, die zerrissenen verschmorten Ränder wiesen auf seine Berührungen hin. Während der Kobold um Dhamari kreiste, spie er kleine heiße Rauchwolken und kicherte vergnügt, als der junge Mann mit Schmerzensschreien reagierte.
Kiva stand an einen Zitronenbaum gelehnt und intonierte einen Wachstumszauber. Es war offenbar nicht das erste Mal, daß die Elfe versuchte, einen Kobold unter Kontrolle zu bringen. Ein verzierter Käfig beherrschte die Raummitte, der aus Ranken eines Krautes bestand. Es war ein geschickter Zauber, wenn man davon absah, daß die Käfigtür offenstand. Kobolde waren bekanntlich nur schwer zu kontrollieren.
Keturah ächzte vor Verärgerung.
Dhamari blickte auf und sah seine Lehrmeisterin. Schuld und Erleichterung lieferten sich einen Zweikampf in seinen Gesichtszügen.
»Mystra sei Dank! Keturah ist da!«
Dhamaris Ausruf lenkte die Elfe von ihrem Zauber ab. Kiva wirbelte herum und sah Keturah an. Der Ausdruck auf ihrem merkwürdigen kupferfarbenen Gesicht wechselte von konzentriert zu vorwurfsvoll, als sei Keturah für den rasenden Kobold verantwortlich.
»Tut etwas!« herrschte Kiva sie an.
In diesem Augenblick war das Ende von Kivas Zeit im Turm besiegelt. Keturah preßte die Lippen aufeinander und griff in das Säckchen, das sie am Gürtel trug. Sie entnahm eine Prise eines Pulvers, das in ein Stück Seide gewickelt war – ein Talisman von der Art, wie ihn jeder umsichtiger Beschwörer für den Fall mit sich trug, daß eine Anrufung fehlschlug. Sie warf das Pulver mitsamt Seide in den Weg des Kobolds.
Die Seide löste sich und sank zu Boden, während das funkelnde Pulver mitten in der Luft hängenblieb und eine durchscheinende Wand bildete. Der Kobold versuchte mit hektischen Schlägen seiner Fledermausflügel ein Ausweichmanöver, kam aber mit dem Pulver in Berührung und blieb an der unsichtbaren Wand kleben. Die Kreatur schrie,
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