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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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und versuchte ein wenig nervös die Zeit zu schätzen. »Meinen Sie nicht, es ist besser, wenn wir jetzt weitergehen?«
    »Noch nicht. Es ist erst Viertel nach vier. Am besten ist es, wenn wir kurz vor Morgengrauen ankommen. Wir warten lieber noch zehn Minuten, dann sind wir gerade rechtzeitig an Ort und Stelle.« Er grinste. »Als ich das erste Mal durch den Zaun gegangen bin, habe ich auch einen Mordsbammel gehabt. Auf dem Rückweg mußte ich am Zaun warten. Eine halbe Stunde oder noch länger mußte ich warten, bevor die Luft rein war. Lieber Himmel, habe ich damals geschwitzt.« Er scheuchte mit den Händen die Insekten weg.
    Sie saßen eine Weile still da und horchten auf die unablässige Bewegung des Dschungels. Leuchtkäferschwärme leuchteten in den kleinen Wasserrinnen neben dem Weg.
    »Wie der Broadway bei Nacht«, meinte der King.
    »Ich habe mal einen Film mit dem Titel Times Square gesehen. Es ging um einen Zeitungsknüller. Lassen Sie mich mal nachdenken. Ach ja, ich glaube, es war Cagney.«
    »Daran kann ich mich nicht erinnern. Aber den Broadway müßten Sie wirklich mal sehen. Es ist wie am hellen Tag. Mitten in der Nacht. Riesige Neonleuchtreklamen und überall Lichter.«
    »Sind Sie dort zu Hause? In New York?«
    »Nein. Ich bin einige Male dort gewesen. Ich bin überall herumgekommen.«
    »Wo sind Sie zu Hause?«
    Der King zuckte die Achseln. »Mein Vater treibt sich in der Welt herum.«
    »Was tut er?«
    »Gute Frage. Mal dies, mal das. Meist ist er besoffen.«
    »Oh! Das muß ziemlich hart sein.«
    »Für ein Kind, ja.«
    »Haben Sie Familie?«
    »Meine Mutter ist tot. Gestorben, als ich drei war. Geschwister habe ich nicht. Mein Vater hat mich aufgezogen. Er ist Landstreicher, hat mich aber viel über das Leben gelehrt. Regel eins: Armut ist eine Krankheit. Regel zwei: Geld bedeutet alles. Regel drei: es spielt keine Rolle, wie man es bekommt, solange man es bekommt.«
    »Wissen Sie, ich habe nie viel von Geld gehalten. Ich meine, beim Militär – man bekommt seinen festen Sold, und man kann sich damit einen gewissen Lebensstandard leisten, so daß Geld nicht viel bedeutet.«
    »Wieviel verdient Ihr Vater?«
    »Ich weiß nicht genau. Vielleicht sechshundert Pfund im Jahr.«
    »Ach du meine Güte! Das sind ja nur zweitausendvierhundert Dollar. Ich verdiene ja als Korporal schon dreizehnhundert. Verdammt, mich würden keine zehn Pferde für ein so lumpiges Trinkgeld zum Arbeiten bringen.«
    »Vielleicht ist es in den Staaten anders. Aber in England kann man ganz gut damit auskommen. Natürlich ist unser Wagen ziemlich alt, aber das spielt ja keine Rolle. Und am Ende seiner Dienstzeit bekommt man eine Pension.«
    »Wieviel?«
    »So ungefähr die Hälfte des Soldes.«
    »Das wäre für mich gar nichts. Ich begreife nicht, wie jemand zum Militär gehen kann. Wahrscheinlich sind das Leute, die als Menschen Versager sind.« Der King bemerkte, daß Peter Marlowe leicht erstarrte. »Natürlich«, setzte er schnell hinzu, »gilt das nicht für England. Ich meinte die Staaten.«
    »Beim Militär hat man es gut – als Mann. Man hat genug Geld – ein aufregendes Leben in allen Teilen der Welt. Auch im Gesellschaftsleben hat man es gut. Und dann, nun, ein Offizier hat immer sehr viel Prestige.« Peter Marlowe setzte schnell hinzu, und es klang beinahe wie eine Entschuldigung: »Sie wissen ja, Tradition und so weiter.«
    »Werden Sie nach dem Krieg dabeibleiben?«
    »Natürlich.«
    »Mir scheint«, erwiderte der King und stocherte mit einem kleinen Rindenstückchen in den Zähnen herum, »es ist zu leicht. Man kann doch nichts erleben, und es kommt auch nichts dabei heraus, wenn man die Befehle von Leuten ausführt, die meistens faule Schweine sind. Mir kommt es jedenfalls so vor. Verdammt, und außerdem bekommt man ja nichts bezahlt. Peter, Sie sollten sich mal die Staaten ansehen. Es gibt auf der ganzen Welt nichts, was man mit ihnen vergleichen könnte. Keine Stadt, nichts. Jeder ist auf sich selbst angewiesen, und jeder ist so viel wert wie der andere. Und man braucht sich nur etwas einfallen zu lassen und besser zu sein als der andere. Mann, da geht's rund.«
    »Ich glaube nicht, daß ich da hineinpassen würde. Irgendwie weiß ich, daß ich nicht zum Geldverdienen geboren bin. Mir geht es besser, wenn ich das tue, wozu ich geboren bin.«
    »Das ist doch Quatsch. Nur weil Ihr Alter beim Militär ist …«
    »Das geht bis 1720 zurück. Vom Vater auf den Sohn vererbt. Das ist sehr viel Tradition,

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