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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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alles möglichst echt wirken zu lassen –, und ich war überzeugt, er hätte nur so getan, als genieße er es. Deshalb entschuldigte ich mich und sagte: ›Tut mir leid, Sean – du mußt mich für einen kompletten Idioten halten! Mein Gott, es ist herrlich zu wissen, daß es dir gutgeht. Ich dachte, auch dich hätte es erwischt.‹ Ich erzählte ihm, was mit mir geschehen war, und erkundigte mich dann nach seinem Schicksal.
    Sean erzählte, daß er von vier Japsenjägern abgeknallt worden war und mit dem Fallschirm hatte abspringen müssen. Als er schließlich wieder den Flugplatz erreichte und meine Maschine entdeckte, war sie nur noch ein Schrotthaufen. Ich erzählte ihm, daß ich sie in Brand gesteckt hatte, bevor ich getürmt war, ich hätte verhindern wollen, daß die verdammten Japsen meine Maschine reparierten.
    ›Ach so‹, sagte er. ›Weißt du, ich nahm einfach an, du hättest bei der Landung Bruch gemacht und es hätte dich dabei erwischt. Ich blieb mit den anderen Kameraden im Hauptquartier in Bandung, und dann wurden wir alle in ein Lager gesteckt. Kurz darauf wurden wir nach Batavia verfrachtet und von dort aus hierher.‹
    Sean betrachtete sich die ganze Zeit im Spiegel, und sein Gesicht war so glatt und zart wie das einer Frau. Plötzlich überkam mich das sonderbare Gefühl, daß er mich völlig vergessen hatte. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Dann kehrte er dem Spiegel den Rücken zu und sah mir direkt in die Augen, und er runzelte auf komische Weise die Stirn. Urplötzlich fühlte ich, wie unglücklich er war, und deshalb fragte ich ihn, ob ich weggehen sollte.
    ›Nein‹, antwortete er. ›Nein, Peter, ich möchte, daß du bleibst.‹
    Und dann nahm er ein Damenhandtäschchen, das auf dem Frisiertisch lag, grub einen Lippenstift heraus und begann sich die Lippen zu schminken. Ich war wie vom Donner gerührt. ›Was machst du?‹ fragte ich.
    ›Lippenstift, Peter.‹
    ›Hör auf, Sean‹, erwiderte ich. ›Nichts gegen Spaß. Aber die Vorstellung ist seit einer halben Stunde zu Ende.‹
    Aber er ließ sich nicht stören, und als die Lippen richtig geschminkt waren, puderte er sich die Nase und bürstete das Haar, und, bei Gott, er war das schönste Mädchen. Ich konnte es nicht glauben. Ich dachte noch immer, er triebe auf unheimliche Weise Scherz mit mir.
    Er drückte hier ein Löckchen zurecht und da eines, und dann lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und betrachtete sich forschend im Spiegel, und er schien absolut mit dem zufrieden, was er darin erblickte. Dann sah er mich im Spiegel auf sich starren, und er lachte. ›Was ist los, Peter?‹ fragte er. ›Bist du noch nie in einer Garderobe gewesen?‹
    ›Doch‹, antwortete ich, ›doch, schon – bei einer Frau.‹
    Lange Zeit sah er mich an. Dann zupfte er sein Negligé zurecht und schlug die Beine übereinander. ›Das ist die Garderobe einer Frau‹, sagte er.
    ›Jetzt mach aber einen Punkt, Sean‹, fuhr es mir heraus, denn allmählich wurde ich gereizt. ›Ich bin's, ich, Peter Marlowe. Wir sind in Changi, erinnerst du dich? Die Vorstellung ist vorbei, und jetzt ist alles wieder normal.‹
    ›Jawohl‹, bestätigte er völlig ruhig, ›alles ist normal.‹
    Ich brauchte lange Zeit, bis ich etwas hervorbrachte. ›Hör zu‹, preßte ich schließlich heraus, ›ziehst du endlich diese Lappen aus und wäscht dir das Geschmier aus dem Gesicht?‹
    ›Ich mag die Kleider, Peter‹, antwortete er, ›und ich lege jetzt immer Make-up auf.‹ Er stand auf und öffnete einen Schrank, und er war tatsächlich voll von Sarongs und Kleidern und Unterhöschen und Büstenhaltern und so weiter. Er drehte sich zu mir um, und er war ganz ruhig. ›Das sind die einzigen Kleider, die ich jetzt trage‹, erklärte er. ›Ich bin eine Frau.‹
    ›Du hast den Verstand verloren‹, stöhnte ich.
    Sean kam herüber und starrte mich an, und ich kriegte es einfach nicht aus dem Kopf, daß ich irgendwie ein Mädchen vor mir hatte – er sah wie eines aus, benahm sich wie eines, redete wie eines und duftete wie eines. ›Peter‹, sagte er, ›ich weiß, daß es dir schwerfällt, alles zu verstehen, aber ich habe mich verändert. Ich bin nicht mehr Mann, ich bin Frau.‹
    ›Du bist ebensowenig ein verdammtes Weib wie ich!‹ brüllte ich. Aber das schien ihn überhaupt nicht zu rühren. Er stand einfach da und lächelte mich wie eine Madonna an, und dann sagte er: ›Ich bin eine Frau, Peter.‹ Er berührte mich auf genau die gleiche Weise

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