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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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am Arm, wie es ein Mädchen getan hätte, und dann sagte er: ›Bitte, behandle mich als Frau.‹
    Etwas in meinem Kopf schien zu zerspringen. Ich packte ihn am Arm, riß ihm das Negligé von den Schultern, zerrte ihm mit einem Ruck den ausgestopften Büstenhalter vom Körper und schob ihn vor den Spiegel hin.
    ›Und du bezeichnest dich als Frau?‹ brüllte ich. ›Schau dich doch an! Wo sind denn deine Brüste?‹
    Aber Sean sah nicht auf. Er stand einfach vor dem Spiegel und hielt den Kopf gesenkt, und das Haar fiel ihm ins Gesicht. Das Negligé hing an ihm herunter, und er war nackt bis zu den Hüften. Ich packte ihn an den Haaren und riß seinen Kopf hoch. ›Sieh dich doch an, du perverses Schwein!‹ schrie ich gellend. ›Du bist bei Gott ein Mann und wirst es bleiben!‹
    Er stand einfach da und sagte überhaupt nichts, und schließlich bemerkte ich, daß er heulte. Dann stürzten Rodrick und Frank Parrish herein und stießen mich beiseite, und Parrish legte Sean wieder das Negligé um und nahm ihn in die Arme, und Sean weinte die ganze Zeit einfach vor sich hin.
    Frank hielt ihn fest in den Armen und tröstete ihn: ›Es ist ja alles gut, Sean, es ist alles gut.‹ Dann sah er mich an, und ich erkannte, daß er mich am liebsten umgebracht hätte. ›Verschwinden Sie von hier, Sie verdammter Schweinehund‹, fuhr er mich an.
    Ich weiß überhaupt nicht mehr, wie ich aus der Garderobe herausgekommen bin – als ich schließlich wieder zu mir kam, streifte ich im Lager herum, und allmählich begann ich zu begreifen, daß ich kein Recht gehabt hatte, nicht das geringste Recht, das zu tun, was ich getan hatte. Es war verrückt.«
    Peter Marlowes Gesicht spiegelte nackte Qual. »Ich ging zum Theater zurück. Ich mußte versuchen, mich mit Sean zu versöhnen. Seine Tür war verriegelt, aber ich glaubte ihn drinnen zu hören. Ich klopfte und klopfte, aber er antwortete nicht, und er öffnete auch nicht, und daraufhin wurde ich von neuem zornig, und ich trat die Tür ein. Ich wollte mich ihm ins Gesicht entschuldigen. Nicht durch die Tür.
    Er lag auf dem Bett. Am linken Handgelenk klaffte ein großer Schnitt, und überall im Zimmer war Blut. Ich legte ihm einen Knebelverband an, und irgendwie schaffte ich den alten Dr. Kennedy und Rodrick und Frank herbei. Sean sah wie eine Leiche aus, und er gab nicht den geringsten Laut von sich, während Kennedy den Scherenschnitt vernähte. Als Kennedy fertig war, wandte Frank sich an mich: ›Sind Sie jetzt zufrieden, Sie verdammtes Schwein?‹
    Ich stand nur da und haßte mich selbst.
    ›Gehen Sie raus und bleiben Sie draußen‹, sagte Rodrick.
    Ich wollte eben weggehen, da hörte ich Sean nach mir rufen – es war ein schwaches, kaum hörbares Flüstern. Ich drehte mich um und bemerkte, daß er mich nicht zornig ansah, sondern vielmehr so, als empfände er Mitleid mit mir. ›Entschuldigung, Peter‹, flüsterte er. ›Es war nicht deine Schuld.‹
    ›Um Himmels willen, Sean‹, brachte ich schließlich heraus, ›ich wollte dir doch nichts Böses antun.‹
    ›Das weiß ich‹, beschwichtigte er mich. ›Bitte, sei mein Freund, Peter.‹
    Dann sah er Parrish und Rodrick an und sagte: ›Ich wollte fortgehen, aber jetzt‹, und er lächelte sein wunderbares Lächeln, ›bin ich so glücklich, daß ich wieder zu Hause bin!‹«
    Peter Marlowes Gesicht war leer. Schweiß lief ihm den Hals und die Brust entlang. Der King zündete eine Kooa an.
    Peter Marlowe zuckte hilflos mit der Achsel, stand dann auf und ging davon, tief in seine Reue versunken.

17
    L os, beeilt euch«, rief Peter Marlowe den gähnenden Männern zu, die mißmutig in Reih und Glied vor der Baracke standen. Es war kurz nach Tagesanbruch, und das Frühstück war bereits eine Erinnerung, und seine Unzulänglichkeit trug nur dazu bei, die Reizbarkeit der Männer noch zu erhöhen. Und außerdem lag der lange, sonnenheiße Tag auf dem Flugplatz vor ihnen. Es sei denn, sie hätten Glück.
    Es ging das Gerücht, daß heute eine Abteilung zu dem nach Westen hin gelegenen Flugplatzende gehen würde, wo die Kokospalmen standen. Es ging das Gerücht, daß drei Bäume gefällt werden sollten. Und das Innere eines Kokospalmenstammes ist nicht nur eßbar, sondern auch sehr nahrhaft und eine ganz besondere Delikatesse. Es wird ›Millionärskohl‹ genannt, weil die ganze Kokospalme sterben muß, damit man es gewinnen kann. Und außer dem Millionärskohl würde es Kokosnüsse geben. Mehr als genug für eine Abteilung

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