Rattenkoenig
für den King. Er sieht kerngesund aus. Auch nicht zum Weiterverkauf; der King macht nie Geschäfte mit Medikamenten, was auch ganz in Ordnung ist, denn dadurch habe ich den ganzen Markt in der Hand. Es muß aber für jemand sein, der dem King sehr nahesteht. Sonst würde er sich doch nicht einmischen. Medikamentenhandel ist nicht sein Fall. Der alte McCoy! Ja, natürlich. Ich habe doch gehört, daß ihm in letzter Zeit oft was fehlt. Vielleicht der Oberst. Hat auch nicht allzugut ausgesehen! »Ich habe von einem Limey gehört, der etwas Chinin hat. Aber er verlangte ein ganzes Vermögen dafür.«
»Ich möchte etwas Antitoxin. Und Sulfonamidpuder.«
Timsen stieß einen Pfiff aus. »Absolut nichts zu machen!« erklärte er. Antitoxin und Sulfonamide. Gangrän! Der Pommy. Großer Gott, Gangrän! Es mußte der Pommy sein. Timsen hatte nicht allein durch List und Schläue den Medikamentenmarkt an sich gerissen. Er wußte genug über Medikamente aus der Zivilzeit, als er noch als Hilfsdrogist gearbeitet hatte; das wußte aber kein Schwein, denn sonst hätten die Hunde ihn sofort in den Sanitätsdienst gesteckt, und das hätte bedeutet, daß er beim Kämpfen und Töten nicht mit dabeisein könnte, und kein Aussie, der etwas auf sich hält, läßt sein Land im Stich und verzichtet auf einen wunderschönen Heimatschuß, indem er den Krieg nur als stinkender Sanitäter mitmacht.
»Gar nichts zu machen«, versicherte er noch einmal und schüttelte den Kopf.
»Hör zu«, sagte der King. »Ich will mit dir offen reden.« Timsen war der einzige auf der ganzen Welt, der es beschaffen konnte, deshalb mußte er seine Unterstützung bekommen. »Es ist für Peter.«
»Das ist hart«, sagte Timsen, aber innerlich empfand er Mitleid. Armer Kerl. Gangrän. Feiner Bursche, viel Schneid. Er spürte noch immer den Schlag, den der Pommy ihm in der vergangenen Nacht verpaßt hatte. Als sie zu viert über den King und den Pommy hergefallen waren.
Timsen hatte sich eingehend über Peter Marlowe unterrichtet, als der King sich mit ihm eingelassen hatte. Man kann nie zu vorsichtig sein, und genaue Kenntnisse sind immer wichtig. Und Timsen wußte von den vier deutschen Flugzeugen und von den drei Japsen, und er wußte von dem Dorf und wie der Pommy versucht hatte, von Java zu fliehen, ganz anders als die große Meute, die gehorsam herumhockte und alles hinnahm. Und dennoch, wenn man darüber nachdachte, dann war der Versuch doch ziemlich einfältig gewesen. Eine so große Entfernung. Ja. Viel zu weit. Ja, der Pommy war ein Prachtkerl.
Timsen überlegte, ob er es wagen konnte, jemanden in die Unterkunft des japanischen Arztes zu schicken, um die Medikamente zu organisieren. Es war riskant, aber die Unterkunft und der Weg dahin waren genau überprüft worden. Armer Marlowe, er mußte krank vor Sorgen sein. Natürlich werde ich die Medikamente beschaffen, und ich werde es umsonst machen oder doch nur für meine Auslagen.
Timsen haßte es, Medikamente zu verkaufen, aber jemand mußte es schließlich tun, also war es besser, wenn er dieser jemand war statt eines anderen, denn er selbst hielt die Preise immer niedrig, so vernünftig wie möglich, und er tat das, obwohl er genau wußte, daß er ein Vermögen hätte verdienen können, wenn er an die Japaner verkauft hätte, aber das tat er nie, sondern verkaufte nur an das Lager und wirklich nur mit einem geringen Gewinn, wenn man die damit verbundenen Gefahren bedachte.
»Es macht einen krank«, sagte Timsen, »wenn man an all die Arzneimittelvorräte vom Roten Kreuz in der Bruchbude an der Kedahstraße denkt.«
»Mann, das ist doch ein Gerücht.«
»O nein, bestimmt nicht. Ich habe es selbst gesehen, Bester. Bei einem Arbeitseinsatz. Bis obenhin vollgestopft mit Rotkreuzzeug: Plasma, Chinin, Sulfonamide – alles, vom Boden bis zur Decke, und auch noch in den Kisten. Der Schuppen muß gut hundert Schritte lang und dreißig Schritte breit sein. Und das ganze Zeug kriegen die verdammten Nips. Sie lassen das Zeug herein. Es kommt über Tschungking herein, hat man mir erzählt. Das Rote Kreuz übergibt es an die Siamesen – die übergeben es an die Nips –, alles für die Kriegsgefangenen in Changi bestimmt. Mein Gott, ich habe selbst die Adressen gesehen, aber die Nips verwenden alles einfach für ihre eigenen Affen.«
»Weiß sonst noch jemand davon?«
»Ich habe es dem Oberst erzählt, und er hat es dem Lagerkommandanten erzählt, und der hat es wieder dem Nip-Bastard erzählt – wie
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