Rattenkoenig
mit den abgebrochenen, schmutzigen Fingernägeln geöffnet. Der Diamantring hatte auf seiner Handfläche gelegen. »Der Preis ist zehntausend. Für einen entschlossenen Käufer«, hatte er höhnisch hinzugesetzt. Dann hatten die Finger sich schnell wieder geschlossen, als der King vorgetreten war, um den Ring von der Hand zu nehmen, und die Faust war zurückgezogen worden. »Heute abend.« Das Männchen hatte zahnlos gelächelt. »Es ist schon der richtige, keine Bange.«
»Bist du der Eigentümer?«
»Ich halte ihn in der Hand, oder nicht?«
»Das Geschäft gilt. Um wieviel Uhr?«
»Warte auf mich. Ich werde zu dir kommen, sobald keine Spitzel in der Nähe sind.«
Und das Männchen war ebenso plötzlich verschwunden, wie es aufgetaucht war.
Der King legte sich behaglich und frohlockend zurück. Armer Timsen, dachte er bei sich, der arme Hund hat Kartoffeln auf den Augen! Ich krieg den Ring für den halben Preis.
»Morgen, Kamerad«, grüßte Timsen. »Du hast mich rufen lassen?«
Der King öffnete die Augen und verdeckte mit der Hand ein Gähnen, während Timsen die Baracke heraufkam.
»Hallo.« Der King schwang die Beine über die Bettkante und streckte sich ausgiebig. »Bin heute müde. Zuviel Aufregung. Magst du ein Ei? Ich lass' mir eben zwei backen.«
»Und ob ich ein Ei mag.«
»Mach dir's bequem.« Der King konnte es sich leisten, gastfreundlich zu sein. »Und jetzt wollen wir über das Geschäft reden. Heute nachmittag schließen wir das Geschäft ab.«
»Nein.« Timsen schüttelte den Kopf. »Heute nicht. Morgen.«
Dem King fiel es schwer, nicht zu strahlen.
»Bis dahin ist die Aufregung vorbei«, erklärte Timsen. »Ich habe gehört, daß Grey wieder aus dem Lazarett heraus ist. Er wird die Baracke hier auf dem Kieker haben.« Timsen schien ernstlich besorgt. »Wir müssen aufpassen. Du und ich. Ich will nicht, daß etwas schiefgeht. Ich muß auch auf dich aufpassen. Vergiß nicht, daß wir Kameraden sind.«
»Verdammt, nicht morgen«, knurrte der King und spielte den Enttäuschten. »Machen wir es heute nachmittag.«
Und er hörte zu und brüllte innerlich vor Lachen und hörte zu, als Timsen erklärte, wie wichtig es wäre, vorsichtig zu sein: der Eigentümer habe es mit der Angst zu tun gekriegt, ja, er wäre sogar in der vergangenen Nacht zusammengeschlagen worden, und nur ihm und seinen Leuten wäre es zu verdanken, daß der arme Kerl gerettet worden sei. Daran erkannte der King ganz sicher, daß Timsen in der Klemme saß, daß ihm der Diamant durch die schleimigen Pfoten gerutscht war, daß er Zeit zu gewinnen versuchte. Na, ich möchte wetten, dachte der King frohlockend, daß die Aussies wie die Irren nach dem Langfinger suchen. Ich möchte nicht in seiner Haut stecken – wenn sie ihn finden. Deshalb ließ er sich überreden. Nur für den Fall, daß Timsen den Burschen finden sollte und das ursprüngliche Geschäft gültig war.
»Na, gut«, brummte der King mürrisch. »Deine Ansichten haben wahrscheinlich was für sich. Machen wir das Geschäft also morgen.« Er zündete sich eine neue Zigarette an und nahm einen Zug, reichte sie weiter, spielte das Spiel noch immer weiter und sagte katzenfreundlich: »In den heißen Nächten schlafen nur wenige meiner Leute. Mindestens vier sind immer auf, die ganze Nacht.«
Timsen verstand die Drohung. Aber er hatte andere Dinge im Kopf. Verdammt, wer hat Townsend hinterrücks überfallen? Er betete, daß seine Leute den Schweinehund schnell finden möchten. Er wußte, daß er die hinterhältigen Ganoven finden mußte, bevor sie mit dem Diamanten zum King gingen, denn sonst war er aus dem Geschäft heraus. »Ich weiß, wie das ist. Mit meinen Leuten ist es genau das gleiche – Gott sei Dank sind sie nahe bei meinem armen alten Townsend.« Einfältiger Knabe! Verdammt, wie konnte ein Kerl bloß so schlapp sein und sich überfallen lassen, ohne laut zu schreien, bevor es zu spät war. »Man kann heutzutage gar nicht vorsichtig genug sein.«
Tex brachte die Eier herein, und die drei Männer aßen sie zusammen mit Reis vom Mittagessen und spülten alles mit starkem Kaffee hinab. Bis zu dem Augenblick, als Tex das Geschirr hinaustrug, hatte der King die Unterhaltung genau dahin gebracht, wo er sie haben wollte.
»Ich kenne einen Kerl, der einige Medikamente braucht.«
Timsen schüttelte den Kopf. »Keine Hoffnung für den armen Hund. Nichts zu machen! Absolut nichts.« Aha, dachte er. Medikamente! Für wen die wohl sein mögen? Bestimmt nicht
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