Rattenkoenig
ganz dringende Notfälle versteckt gehalten hatte.
Yoshima nahm sie. Sie war sehr schwer. Schwer genug, daß sie ein Rundfunkgerät oder Teil eines Rundfunkgerätes hätte enthalten können. Er zog den Korken heraus und hielt sie mit der Öffnung nach unten hoch. Ein Strom trockener Reiskörner rieselte heraus. Und rieselte so lange, bis sie leer und leicht war. Kein Rundfunkgerät darin.
Yoshima schleuderte die Flasche weg. »Wo ist das Radio?« schrie er.
»Es gibt keines …«, begann Brough und betete zu Gott, Yoshima möchte ihn nicht fragen, warum der Engländer, der hier zu Besuch war, seine Wasserflasche unter ein Bett schob.
»Halten Sie den Mund.«
Yoshima und die Posten durchsuchten die Baracke und vergewisserten sich, daß es keine weiteren Wasserflaschen gab, und dann untersuchte Yoshima nochmals alle Wasserflaschen.
»Wo ist das Wasserflaschenradio?« schrie er. »Ich weiß, daß es hier ist. Ich weiß, daß einer von euch es hat! Wo ist es?«
»Hier ist kein Radio«, wiederholte Brough. »Wenn Sie wollen, können wir für Sie die ganze Baracke abreißen.«
Yoshima erkannte, daß seine Information irgendwo falsch war. Diesmal war ihm nicht das Versteck gemeldet worden, sondern nur, daß es sich in einer Wasserflasche oder in Wasserflaschen befände und daß sich an diesem Abend einer der Leute, dem es gehörte, in eben diesem Augenblick in der amerikanischen Baracke aufhielte. Seine Augen blickten jeden an. Wer? Oh, er konnte sie natürlich alle zum Wachhaus hinaufmarschieren lassen, aber das würde nichts nützen – ohne das Radio nicht. Der General liebte keine Pannen. Und ohne das Radio …
Diesmal hatte er also versagt. Er wandte sich an Grey. »Sie unterrichten den Lagerkommandanten, daß sämtliche Wasserflaschen beschlagnahmt sind. Sie müssen noch heute abend im Wachhaus abgeliefert werden!«
»Jawohl, Sir«, antwortete Grey. Sein ganzes Gesicht schien nur aus Augen zu bestehen.
Yoshima erkannte, daß bis zum Zeitpunkt der Ablieferung der Wasserflaschen im Wachhaus diejenige oder diejenigen, die das Radio enthielten, vergraben oder versteckt sein würden, aber das schadete nichts – es würde die Suche leichter machen, denn das Versteck würde gewechselt werden müssen, und bei jedem Wechsel würden Augen zusehen. Wer hätte gedacht, daß man ein Radio in einer Wasserflasche unterbringen kann?
»Yankee-Schweine«, knurrte er. »Ihr glaubt wohl, ihr seid so klug. So stark. So groß. Haltet euch vor Augen: Dieser Krieg mag hundert Jahre dauern, wir werden euch besiegen. Selbst wenn ihr die Deutschen besiegt. Wir können allein weiterkämpfen. Ihr werdet uns nie besiegen, nie. Ihr werdet vielleicht viele von uns töten, aber wir werden noch viel mehr von euch töten. Ihr werdet uns nie erobern. Weil wir geduldig sind und uns nicht fürchten zu sterben. Auch wenn es zweihundert Jahre dauert – am Ende werden wir euch vernichten.« Dann stürmte er hinaus.
Brough drehte sich zum King um. »Von Ihnen sagt man, Sie wären auf Draht, und Sie lassen den Japsen-Bastard einfach in die Baracke marschieren, wo der ganze Zaster herumliegt. Sie haben es nötig, sich mal den Schädel untersuchen zu lassen.«
»Jawohl, Sir. Das habe ich wirklich verdammt nötig.«
»Und noch etwas. Wo ist der Diamant?«
»Welcher Diamant, Sir?«
Brough setzte sich. »Oberst Smedly-Taylor hat mich zu sich gerufen und mir erklärt, er sei von Hauptmann Grey informiert worden, daß Sie einen Diamantring haben, den Sie eigentlich gar nicht haben dürfen. Sie – und Leutnant Marlowe. Natürlich muß ich bei jeder Durchsuchung, die durchgeführt werden soll, dabeisein. Und ich habe nichts dagegen einzuwenden, daß Hauptmann Grey sucht, solange ich dabei bin. Wir wollten eben im Sturmschritt hierher, als Yoshima mit seinen Posten hereingestürzt kam und davon zu faseln begann, daß er diese Baracke hier durchsuchen wolle, einer besäße ein Radio in einer Wasserflasche – wie verrückt man doch werden kann! Grey und mir wurde befohlen, ihn zu begleiten.«
Jetzt, da die Durchsuchung überstanden war, dankte er Gott, daß es hier kein Radio in einer Wasserflasche gab, und er erkannte auch, daß Peter Marlowe und der King ein Teil des Radiounternehmens waren. Warum hätte sonst der King behauptet, daß eine amerikanische Feldflasche dem Engländer gehörte?
»Also gut«, sagte Brough zum King, »ziehen Sie die Kleider aus, Sie werden durchsucht. Und Ihr Bett und Ihre schwarze Kiste auch.« Er drehte sich um.
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