Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
Vom Netzwerk:
anderen Lager auf Java – man schob uns da immer hin und her, ganz anders als hier in Singapur. Es war übrigens ebenfalls in Bandung. Da war auch ein Japsenposten, einer von der besseren Sorte. Er hat nicht auf einem herumgehackt, wie die meisten von ihnen. Diesen Mann pflegten wir Sonnenschein zu rufen, weil er immer strahlte. Sonnenschein liebte Hunde. Und er hatte immer ein halbes Dutzend um sich, wenn er im Lager herumging. Sein erklärtes Lieblingstier war ein Schäferhund – eine Hündin. Eines Tages hatte die Hündin einen Wurf Welpen, die sonderbarsten Hunde, die Sie je gesehen haben. Und Sonnenschein war so ziemlich der glücklichste Japs auf der ganzen Welt, er richtete die Welpen ab und lachte und spielte mit ihnen. Als sie gehen konnten, machte er Leinen für sie aus Schnur und ging dann mit ihnen im Schlepptau im Lager herum. Eines Tages zerrte er sie wieder so herum, und einer von ihnen stemmte sich auf die Hinterpfoten. Sie wissen ja, wie junge Hunde sind. Sie werden müde und setzen sich einfach hin. Deshalb zerrte Sonnenschein ihn ein kleines Stück hinter sich her und gab ihm dann einen ordentlichen Ruck. Der junge Hund winselte, stemmte sich aber mit den Pfoten auf den Boden.«
    Peter Marlowe machte eine Pause und drehte eine Zigarette. Dann fuhr er fort: »Sonnenschein nahm die Leine fest in die Hand und begann den Hund am Ende der Schnur um seinen Kopf zu wirbeln. Er schleuderte ihn vielleicht ein dutzendmal herum und lachte dabei laut, als handelte es sich um den tollsten Spaß auf der Welt. Als der schreiende junge Hund richtig in Schwung war, gab er ihm noch einen letzten Ruck und ließ dann die Schnur los. Der Hund muß gut fünfzehn Meter hoch in die Luft geflogen sein. Und als er auf den steinharten Boden aufschlug, zerplatzte er wie eine reife Tomate.«
    »Schweinehund!«
    Nach einer Weile fuhr Peter Marlowe fort: »Sonnenschein ging zu dem jungen Hund hin. Er blickte auf ihn hinab und brach dann in Tränen aus. Einer unserer Leute holte einen Spaten und begrub die Überreste, und die ganze Zeit über brachte Sonnenschein sich vor Kummer fast um. Als das Grab eingeebnet worden war, wischte er sich die Tränen ab, gab dem Mann eine Packung Zigaretten, verfluchte ihn fünf Minuten lang, stieß ihm zornig den Gewehrkolben in die Lenden, verneigte sich vor dem Grab, verneigte sich vor dem mißhandelten Mann und marschierte glücklich strahlend mit den übrigen Welpen und Hunden davon.«
    Der King schüttelte langsam den Kopf. »Vielleicht war er einfach verrückt. Syphilitisch.«
    »Nein, das war Sonnenschein durchaus nicht. Japsen scheinen wie Kinder zu handeln – aber sie haben die Körper von Männern und die Kraft von Männern. Sie sehen die Dinge wie ein Kind an. Ihre Perspektive ist schief – für uns – und verzerrt.«
    »Ich habe gehört, daß es nach der Kapitulation auf Java hart war«, sagte der King, um ihn zum Weiterreden zu bewegen. Er hatte beinahe eine Stunde gebraucht, um Peter Marlowe zum Erzählen zu bringen, und er wollte, daß er sich zu Hause fühlte.
    »In mancher Hinsicht. Natürlich, in Singapur standen über hunderttausend Mann, so daß die Japsen schon ein bißchen vorsichtig sein mußten. Die Kommandogewalt existierte noch immer von ganz oben bis zur kleinsten Einheit hinunter, und viele Einheiten waren völlig intakt. Die Japsen preschten auf ihrem Vormarsch nach Australien hart vor und kümmerten sich nicht allzuviel um die Kriegsgefangenen, solange diese sich ordentlich benahmen und sich zu Lagern organisierten. Das gleiche galt eine Zeitlang auf Sumatra und Java. Ihnen kam es darauf an, weiter vorzupreschen und Australien einzunehmen. Dann sollten wir alle als Sklaven dorthin verschickt werden.«
    »Sie sind wohl verrückt«, rief der King.
    »Aber nein. Ein Japsenoffizier erzählte es mir, nachdem ich in Gefangenschaft geraten war. Aber als ihr Vorstoß in Neuguinea zum Stehen kam, begannen sie ihre Linien aufzuräumen. Auf Java waren wir nicht allzu viele, so daß sie es sich leisten konnten, hart zu sein. Sie erklärten, wir Offiziere besäßen keine Ehre, weil wir uns hätten gefangennehmen lassen. Deshalb wollten sie uns nicht als Kriegsgefangene betrachten. Sie scherten uns die Köpfe kahl und verboten uns, Rangabzeichen zu tragen. Nach einiger Zeit erlaubten sie uns, wieder zu Offizieren zu ›werden‹, obwohl sie nie zuließen, daß wir uns das Haar wieder wachsen ließen.« Peter Marlowe lächelte. »Wie sind Sie denn

Weitere Kostenlose Bücher