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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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»Soll ich ihm etwas Chinin geben?«
    »Natürlich, geben Sie ihm Chinin.«
    »Entschuldigung, Herr Oberst«, erwiderte Steven bissig und warf den Kopf in den Nacken. »Ich habe ja nur gefragt. Schließlich dürfen nur Ärzte Medikamente verordnen.«
    »Also geben Sie ihm Chinin, Steven, und hören Sie um Gottes willen auf, sich wie ein albernes Weib zu benehmen.«
    »Oh!« Stevens Armbänder klirrten, als er den Kopf zurückwarf und sich wieder zu dem Patienten umdrehte. »Es ist wirklich sehr ungerecht, so auf einem herumzuhacken, Dr. Kennedy, wo man nur versucht, sein Bestes zu tun.«
    Dr. Kennedy hätte Steven richtig zur Schnecke gemacht, aber in diesem Augenblick betrat Dr. Prudhomme den Krankensaal.
    »'n Abend, Oberst.«
    »Oh, hallo.« Dr. Kennedy drehte sich dankbar zu ihm um und erkannte, daß es blanke Dummheit gewesen wäre, wenn er Steven zur Schnecke gemacht hätte. »Ist alles in Ordnung?«
    »Ja. Kann ich Sie einen Augenblick sprechen?«
    »Natürlich.«
    Prudhomme war ein kleiner, heiterer Mann – mit eingefallener Hühnerbrust –, seine Hände waren von der langjährigen Berührung mit Chemikalien fleckig. Seine Stimme klang tief und sanft. »Für morgen stehen zwei Blinddärme an. Der eine ist gerade als dringender Fall eingeliefert worden.«
    »In Ordnung. Ich seh mir die beiden an, bevor ich weggehe.«
    »Wollen Sie operieren?« Prudhomme blickte zum anderen Ende des Krankensaales hinüber, wo Steven gerade einem Mann eine Schüssel vorhielt, in die er sich erbrechen konnte.
    »Ja. Geben Sie mir was zu tun«, antwortete Kennedy. Er spähte in die dunkle Ecke hinüber. Im Zwielicht der abgeschirmten elektrischen Birne wirkten Stevens lange, schlanke Beine noch betonter. Ebenso die Kurven seiner Arschbacken, die prall die engen, kurzen Hosen ausfüllten.
    Steven fühlte die forschenden Blicke und sah auf. Er lächelte. »Guten Abend, Dr. Prudhomme.«
    »Hallo, Steven«, sagte Prudhomme freundlich.
    Dr. Kennedy sah zu seiner Entrüstung, daß Prudhomme noch immer auf Steven blickte.
    Prudhomme drehte sich wieder zu Kennedy um und bemerkte dessen Abscheu. »Oh, übrigens habe ich die Autopsie des Mannes beendet, der im Bohrloch gefunden wurde. Tod durch Ersticken«, sagte er freundlich.
    »Wenn ein Mann mit dem Kopf nach unten auf halber Höhe in einem Bohrloch steckt, dann ist zu vermuten, daß der Tod durch Ersticken eingetreten ist.«
    »Sie haben natürlich recht, Doktor«, antwortete Prudhomme leichthin. »Ich habe den Totenschein auf ›Selbstmord aus einer Störung des seelischen Gleichgewichts‹ ausgestellt.«
    »Ist die Leiche identifiziert worden?«
    »Oh, ja. Heute nachmittag. Es war ein Australier. Ein Mann namens Gurble.«
    Dr. Kennedy fuhr sich über das Gesicht. »Es ist nicht gerade die Art, auf die ich Selbstmord begehen würde. Grausig.«
    Prudhomme nickte, und seine Augen schweiften wieder zu Steven hinüber. »Darin stimme ich völlig mit Ihnen überein. Er könnte natürlich auch in das Bohrloch hinabgestoßen worden sein.«
    »Haben Sie irgendwelche Spuren an der Leiche festgestellt, die darauf hindeuten?«
    »Keine.«
    Dr. Kennedy versuchte, nicht mehr die Art zu bemerken, in der Prudhomme Steven anstierte. »Nun, ob Mord oder Selbstmord, es ist eine schreckliche Todesart. Einfach schrecklich! Ich nehme an, wir werden wohl nie erfahren, was von beidem es nun tatsächlich gewesen ist.«
    »Heute nachmittag wurde eine gerichtliche Untersuchung durchgeführt, sobald man wußte, wer der Tote war. Offenbar wurde dieser Mann vor einigen Tagen dabei erwischt, wie er einige Barackenrationen gestohlen hat.«
    »Oh, ich verstehe.«
    »Ob nun so oder so, ich würde sagen, er hatte es verdient, meinen Sie nicht auch?«
    »Ich glaube schon.« Dr. Kennedy wollte die Unterhaltung fortsetzen, denn er fühlte sich einsam, aber er sah, daß Prudhomme nur an Steven interessiert war. »Nun«, sagte er, »ich mache besser meine Visiten. Möchten Sie mitkommen?«
    »Danke, aber ich muß noch die Patienten für die Operation vorbereiten.«
    Als Dr. Kennedy den Krankensaal verließ, bemerkte er aus dem Augenwinkel heraus, wie Steven sich eng an Prudhomme vorbeidrückte, und sah Prudhommes heimliche Liebkosung. Er hörte Stevens Lachen und sah ihn die Liebkosung ganz offen und intim erwidern.
    Ihre Obszönität überwältigte ihn, und er wußte, daß er eigentlich hätte in den Krankensaal zurückkehren und ihnen befehlen sollen, auseinanderzugehen, und daß er sie hätte vors Kriegsgericht

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