Rattenkoenig
Sellars ihn an, und sein Gesicht war verzerrt und hochrot. Er stürmte die Baracke hinauf in die Ecke, in der die fünf amerikanischen Offiziere ihre Betten hatten. »Brough! Was wissen Sie darüber?«
»Nichts. Und ich bin Hauptmann Brough, Oberst.«
»Ich glaube Ihnen kein Wort! Das ist genau die Schweinerei, wie man sie von euch verfluchten Amerikanern erwarten muß. Sie sind nichts als ein undiszipliniertes Pack …«
»Diesen gottverdammten Mist lasse ich mir von Ihnen nicht bieten!«
»Reden Sie gefälligst in einem anderen Ton mit mir. Sagen Sie ›Sir‹, und stehen Sie stramm.«
»Ich bin rangältester amerikanischer Offizier und lasse mir weder von Ihnen noch sonst jemandem eine derartige Beleidigung gefallen. Es gibt beim amerikanischen Kontingent kein Radio, von dem ich weiß. Und wenn es eins gäbe, dann würde ich Ihnen das mit ziemlicher Sicherheit nicht auf die Nase binden, Oberst.«
Sellars drehte sich um und keuchte zur Barackenmitte hin. »Dann werden wir eben die Baracke durchsuchen. Jeder stellt sich neben sein Bett! Achtung! Gott gnade dem Kerl, der es hat. Ich werde persönlich dafür sorgen, daß er in aller Härte nach dem Gesetz bestraft wird, Sie aufrührerisches Schwein …«
»Halten Sie den Mund, Sellars.«
Alle erstarrten, als Oberst Smedly-Taylor die Baracke betrat.
»Es ist ein Rundfunkgerät hier, und ich habe gerade versucht …«
»Halten Sie den Mund!«
Smedly-Taylors Gesicht wirkte angespannt, als er zu Yoshima hinüberging, der Sellars voll Verwunderung und Verachtung beobachtet hatte. »Was ist los, Hauptmann?« fragte er, wohl wissend, um was es ging.
»Es ist ein Radio in der Baracke.« Dann setzte Yoshima mit einem höhnischen Grinsen hinzu: »Gemäß der Genfer Konvention, die für Kriegsgefangene Anwendung findet …«
»Ich kenne den Sittenkodex sehr wohl«, unterbrach Smedly-Taylor und vermied es, zu dem dicken Balken hinüberzusehen. »Wenn Sie glauben, daß es hier ein Rundfunkgerät gibt, dann suchen Sie bitte danach. Oder falls Sie wissen, wo es sich befindet, dann nehmen Sie es bitte und bringen Sie die Angelegenheit hinter sich. Ich habe viel zu tun heute.«
»Ihre Aufgabe ist es, für Beachtung der Gesetze zu sorgen …«
»Meine Aufgabe ist es, die Beachtung zivilisierter Gesetze zu gewährleisten. Wenn Sie schon mit den Gesetzen ankommen, dann beachten Sie sie erst einmal selbst. Geben Sie uns die Lebensmittel und Medikamente, auf die wir Anspruch haben!«
»Eines Tages gehen Sie doch noch zu weit, Oberst.«
»Eines Tages werde ich tot sein. Vielleicht trifft mich eines Tages der Schlag bei dem Versuch, lächerliche Vorschriften durchzusetzen, die von irgendwelchen Verwaltungsbeamten ausgetüftelt wurden, die von nichts auch nur den Dunst einer Ahnung haben.«
»Ich werde Ihre Frechheiten General Shima melden.«
»Tun Sie das, bitte. Fragen Sie ihn dann auch gleich, wer den Befehl gegeben hat, daß jeder Mann im Lager zwanzig Fliegen am Tag zu fangen hätte, die eingesammelt, gezählt und täglich von mir persönlich in Ihrem Büro abgeliefert werden müssen.«
»Ihre rangälteren Offiziere beklagen sich über die hohe Zahl von Ruhrtoten. Fliegen verbreiten die Ruhr.«
»Sie brauchen mir nichts über Fliegen oder Todeszahlen zu erzählen«, erwiderte Smedly-Taylor barsch. »Geben Sie uns Chemikalien und die Erlaubnis, in den umliegenden Gebieten gewaltsam Hygiene durchzusetzen, und wir werden die ganze Insel Singapur unter Kontrolle bringen und mit den Infektionskrankheiten aufräumen.«
»Gefangene sind nicht berechtigt …«
»Ihre Ruhrzahlen sind unwirtschaftlich. Ihre Malariazahlen sind hoch. Ehe Sie hierherkamen, war Singapur malariafrei.«
»Vielleicht. Aber wir haben Tausende von Ihren Leuten überwältigt, und wir haben Tausende gefangengenommen. Kein Mann von Ehre würde sich gefangennehmen lassen. Sie sind alle Tiere und sollten alle wie solche behandelt werden.«
»Ich habe gehört, daß im Pazifik eine erkleckliche Zahl japanischer Kriegsgefangener gemacht worden ist.«
»Woher haben Sie diese Information?«
»Gerüchte, Hauptmann Yoshima. Sie wissen ja, wie das ist. Offenbar treffen sie nicht zu. Und unzutreffend ist es wohl auch, daß die japanische Flotte von den Meeren verschwunden ist, daß Japan bombardiert wird oder daß die Amerikaner Guadalcanal, Guam, Rabaul und Okinawa eingenommen haben und im Augenblick zum Angriff auf das japanische Mutterland ansetzen …«
»Lüge!« Yoshimas Hand fuhr zum Griff des
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