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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Als der Mann in den Lichtstrahl trat, erkannte Peter Marlowe ihn. Oberst Samson.
    Als Samson den King bemerkte, winkte er freundschaftlich, »'n Abend, Korporal«, grüßte er und setzte seinen Spaziergang an der Baracke vorbei fort.
    Der King blätterte Peter Marlowe neunzig Dollar hin.
    »Tun Sie mir einen Gefallen, Peter. Legen Sie noch zehn dazu und geben Sie es dem Kerl.«
    »Samson? Oberst Samson?«
    »Natürlich. Sie werden ihn oben in der Nähe der Gefängnisecke treffen.«
    »Ich soll ihm das Geld geben? Einfach so? Aber was soll ich ihm denn sagen?«
    »Sagen Sie ihm, es sei von mir.«
    Mein Gott, dachte Peter Marlowe entsetzt, steht Samson auf der Gehaltsliste? Das kann doch nicht sein! Ich kann es nicht. Du bist mein Freund, aber ich kann nicht zu einem Oberst hingehen und sagen, hier sind hundert Piepen vom King. Ich kann es nicht!
    Der King durchschaute seinen Freund. O Peter, dachte er. Du bist ein verdammtes Kind. Dann setzte er in Gedanken hinzu: Der Teufel soll dich holen! Aber er verwarf den letzten Gedanken und verfluchte sich selbst. Peter war der einzige Kerl im Lager, den er sich je zum Freund gewünscht hatte, der einzige, den er brauchte. Deshalb beschloß er, ihn mit den nackten Tatsachen des Lebens vertraut zu machen. Es wird hart sein, Peter, lieber Junge, und es wird dir vielleicht sehr weh tun, aber ich werde es dir beibringen, auch wenn ich dich zerbrechen muß. Du wirst überleben, und du wirst mein Partner sein.
    »Peter«, sagte er. »Es wird vorkommen, daß Sie mir einfach vertrauen müssen. Ich werde Sie nie hinters Licht führen. Solange Sie mein Freund sind, müssen Sie mir vertrauen. Wenn Sie nicht mein Freund sein wollen, gut. Aber ich hätte Sie gerne zum Freund.«
    Peter Marlowe erkannte, daß er jetzt wieder einen Augenblick voll tiefer Wahrheit erlebte. Nimm vertrauensvoll das Geld – oder laß es bleiben, hau ab.
    Das Leben eines Mannes steht immer an einem Scheidepunkt. Und nicht nur sein eigenes Leben, wenn er wirklich ein Mann ist. Immer betrifft es auch andere.
    Er wußte, daß er auf dem einen Weg Macs und Larkins Leben zusammen mit seinem eigenen aufs Spiel setzte, und ohne den King waren sie so wehrlos wie jeder andere im Lager; ohne den King gab es kein Dorf, denn er wußte, daß er es nie allein wagen würde – nicht einmal des Radios wegen. Auf dem anderen Weg würde er ein Erbe gefährden oder eine Vergangenheit zerstören. Samson war eine Macht beim Heer, ein Mann von Rang, Stand und Wohlhabenheit, und Peter Marlowe war von Geburt an zum Offizier bestimmt – wie schon sein Vater vor ihm und sein Sohn nach ihm –, und eine Beschuldigung konnte nie vergessen werden: wenn Samson käuflich war, dann würde alles, an das zu glauben er gelehrt worden war, keinen Wert mehr besitzen.
    Peter Marlowe beobachtete sich selbst, als er das Geld nahm und in die Nacht hinausging auf den Weg hinaufstieg und Oberst Samson traf und den Mann wispern hörte: »Oh, hallo, Sie sind doch Marlowe, nicht wahr?«
    Er sah sich selbst das Geld überreichen. »Der King hat mich gebeten, es Ihnen zu geben.«
    Er sah die feuchten Augen gierig aufleuchten, als Samson das Geld zählte und es dann in seine fadenscheinige Hose stopfte.
    »Sagen Sie ihm, ich lasse ihm danken«, hörte er Samson wispern, »und sagen Sie ihm, ich hätte Grey eine Stunde lang aufgehalten. Länger konnte ich ihn nicht festhalten. Es war doch lange genug, nicht wahr?«
    »Es war genug, gerade genug.« Dann hörte er sich selbst sagen: »Halten Sie ihn das nächste Mal länger fest, oder geben Sie wenigstens Nachricht, Sie Rindvieh!«
    »Ich habe ihn so lange festgehalten, wie ich nur konnte. Sagen Sie dem King, es tue mir leid. Es tut mir aufrichtig leid, und es wird nicht wieder vorkommen. Ich verspreche es. Hören Sie, Marlowe. Sie wissen, wie es manchmal ist. Es wird ein wenig schwierig.«
    »Ich werde ihm sagen, daß es Ihnen leid tut.«
    »Ja, ja, ich danke Ihnen, ich danke Ihnen, Marlowe. Ich beneide Sie, Marlowe. Daß Sie mit dem King so gut stehen. Sie haben Schwein.«
    Peter Marlowe kehrte zur amerikanischen Baracke zurück. Der King dankte ihm, und er bedankte sich noch einmal beim King und trat in die Nacht hinaus.
    Er entdeckte einen kleinen Vorsprung, von dem aus er über den Stacheldrahtzaun hinwegblicken konnte, und er wünschte sich, er säße in seiner Spitfire und schösse ganz allein in den Himmel hinauf, hinauf, hinauf, immer weiter hinauf in den Himmel, wo alles rein und klar ist, wo es

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