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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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nächsten wurden ihm hundertzehn – hundertacht – Dollar einfach so hingeblättert. Heiliger Bimbam, dachte er frohlockend. Das sind mehr als zwanzig Kokosnüsse oder eine Menge Eier. Mac! Jetzt können wir ihm etwas zu essen geben. Eier, Eier sind das richtige!
    Plötzlich hörte er seinen Vater reden, hörte ihn so deutlich, als stünde er neben ihm. Und er konnte ihn sehen, aufrecht und untersetzt, in seiner Uniform der Königlichen Kriegsmarine. »Hör zu, mein Junge, es gibt so etwas wie Ehre. Wenn du mit jemand verkehrst, sag ihm die Wahrheit, und dann muß er notwendigerweise dir die Wahrheit sagen, sonst besitzt er keine Ehre. Schütze deinen Nächsten so, wie du erwartest, von ihm geschützt zu werden. Und wenn jemand ohne Ehre ist, dann verkehre nicht mit ihm, denn er wird dich verderben. Denke daran, es gibt ehrenwerte Menschen und schmutzige Menschen. Es gibt ehrliches Geld und schmutziges Geld.«
    »Aber es ist kein schmutziges Geld«, hörte er sich antworten. »So wie der King es eben erklärt hat, ist es nicht schmutzig. Man hat ihn für einen Dummkopf gehalten. Er war klüger als die anderen.«
    »Stimmt. Aber es ist unehrlich, das Eigentum eines andern zu verkaufen und ihm einen Preis zu nennen, der um so viel niedriger als der wirkliche Preis ist.«
    »Ja, aber …«
    »Es gibt kein Aber, mein Junge. Es ist richtig, es gibt bestimmte Stufen der Ehre – aber man kann nur einen Ehrenkodex haben. Tu, was du willst. Du mußt wählen. Manche Dinge muß jeder Mensch für sich allein entscheiden. Gelegentlich muß man sich an seine Umwelt anpassen. Aber achte um Gottes willen auf dich und dein Gewissen – niemand anders wird es tun – und wisse, daß eine falsche Entscheidung zur rechten Zeit dich weit sicherer vernichten kann als jede Kugel!«
    Peter Marlowe wog das Geld in der Hand und brütete darüber, was er damit anfangen konnte, was er, Mac und Larkin damit anfangen konnten. Er erwog das Für und Wider, und die Waage neigte sich schwer nach einer Seite. Das Geld gehörte von Rechts wegen Prouty und dessen Einheit. Vielleicht war es das letzte, was ihnen gehörte. Vielleicht würden Prouty und dessen Einheit, von denen er keinen kannte, des gestohlenen Geldes wegen sogar sterben. Alles seiner Habgier wegen. Dagegen stand Mac. Er war jetzt in Not. Und Larkin ebenso. Und ich. Auch ich, mich nicht zu vergessen. Er erinnerte sich an die Worte des King: »Es ist nicht nötig, ein Almosen anzunehmen«, und er hatte Almosen angenommen. Viele Almosen.
    »Was soll ich tun, lieber Gott, was soll ich tun?« Aber Gott antwortete nicht.
    »Danke. Danke für das Geld«, sagte Peter Marlowe. Er steckte es weg. Und alles an ihm fühlte deutlich das Brennen.
    »Nichts zu danken. Sie haben es sich verdient. Es gehört Ihnen. Sie haben dafür gearbeitet. Ich habe Ihnen nichts geschenkt.«
    Der King frohlockte, und seine Freude erstickte Peter Marlowes Ekel vor sich selbst. »Kommen Sie schon«, sagte er. »Wir müssen unser erstes gemeinsames Geschäft feiern. Mit meinem Hirn und Ihrem Malaiisch werden wir noch ein wahres Schlaraffenleben führen!« Und der King briet einige Eier.
    Während sie aßen, erzählte der King Peter Marlowe, wie er die Jungs weggeschickt hatte, um Sondervorräte an Lebensmitteln einzukaufen, als er gehört hatte, daß Yoshima das Rundfunkgerät entdeckt hatte.
    »Man muß im Leben auf sein Glück bauen, Peter. Ganz bestimmt. Ich dachte mir, daß die Japsen uns das Leben eine Weile zur Hölle machen würden. Aber nur denen, die nicht darauf vorbereitet waren und nicht vorgesorgt hatten. Sehen Sie sich Tex an. Das arme Schwein hatte keinen Zaster, um sich ein lausiges Ei zu kaufen. Schauen Sie sich selbst und Larkin an. Wenn ich nicht gewesen wäre, würde Mac, der arme Teufel, sich noch immer herumquälen. Natürlich freue ich mich, wenn ich helfen kann. Meinen Freunden helfe ich gern. Man muß seinen Freunden helfen, sonst hat alles keinen Sinn.«
    »Wahrscheinlich«, erwiderte Peter Marlowe. Schrecklich, wie konnte er das sagen. Er war vom King verletzt worden und begriff nicht, daß das amerikanische Hirn in manchen Dingen einfach ist, so einfach wie das englische Hirn. Ein Amerikaner ist stolz auf seine Fähigkeit, Geld scheffeln zu können, und das mit Recht. Ein Engländer, wie Peter Marlowe, ist stolz, für die Flagge zu sterben. Mit Recht.
    Er sah den King zum Fenster hinausblicken und die Augen zusammenkneifen. Er folgte dem Blick und sah einen Mann den Weg heraufkommen.

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