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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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keine verdammten Menschen gibt – wie ich einer bin –, wo das Leben einfach ist und wo man ohne Scham mit Gott reden und bei Gott sein kann.

13
    P eter Marlowe lag auf seinem Bett und döste vor sich hin. Rings um ihn wachten Männer auf, standen auf, gingen weg, um sich zu erleichtern, machten sich für Arbeitskommandos fertig und kamen und gingen aus der Baracke. Mike pflegte bereits seinen Schnurrbart, der von einer Spitze bis zur andern dreiunddreißig Zentimeter maß: er hatte geschworen, ihn nicht eher abzunehmen, als bis er freigelassen würde. Barstairs stand bereits auf dem Kopf und machte Yogaübungen. Phil Mint bohrte in der Nase, und das Bridgespiel hatte schon begonnen. Raylins führte schon seine Gesangsübungen aus. Myner spielte schon Tonleitern auf seiner hölzernen Klaviatur, Kaplan Grover versuchte schon, alle aufzuheitern, und Thomas fluchte schon über das verspätete Frühstück.
    Über Peter Marlowe vertrieb Ewart, der im oberen Bett lag, ächzend den letzten Schlaf und hängte die Beine über den Bettrand, »'mahlu auf die Nacht!«
    »Sie haben wie ein Wilder um sich geschlagen.« Peter Marlowe hatte schon viele Male diese Bemerkung gemacht, denn Ewart schlief immer unruhig.
    »Entschuldigung.«
    Ewart sagte immer Entschuldigung. Er sprang schwerfällig herunter. Er hatte keinen Platz in Changi. Sein Platz war acht Kilometer entfernt im Zivillager, wo seine Frau und seine Familie waren – wo sie vielleicht waren. Nie hatte man irgendeine Verbindung zwischen den beiden Lagern erlaubt.
    »Räuchern wir nach dem Duschen das Bett aus«, schlug er gähnend vor. Er war klein und dunkel und eigenwillig.
    »Gute Idee.«
    »Man würde nie auf den Gedanken kommen, daß wir es erst vor drei Tagen getan haben. Wie haben Sie geschlafen?«
    »Wie immer.« Aber Peter Marlowe wußte, daß nichts, aber auch gar nichts mehr war wie immer, nachdem er das Geld angenommen und die Geschichte mit Samson erlebt hatte.
    Die ungeduldig nach dem Frühstück anstehende Männerschlange formierte sich bereits, als sie das eiserne Bettgestell aus der Baracke schleppten. Sie hoben das obere Bett ab und zogen die Eisenpfähle heraus, die in Schlitzen im unteren Bett steckten. Dann holten sie Kokosnußschalen und Zweige von ihrem Abschnitt unterhalb der Baracke und machten unter den vier Beinen kleine Feuer an.
    Während die Beine erhitzt wurden, hielten sie brennende Palmwedel unter die Längsstreben und unter die Latten. Bald war die Erde unter dem Bett schwarz von Wanzen.
    »Um Himmels willen, ihr beiden«, schrie Phil sie an. »Müßt ihr das vor dem Frühstück machen?« Er war ein mürrischer Mann mit Hühnerbrust und flammendrotem Haar.
    Sie beachteten ihn nicht. Phil schrie sie immer an, und sie räucherten ihr Bett immer vor dem Frühstück aus.
    »Mein Gott, Ewart«, sagte Peter Marlowe. »Man könnte meinen, die Mistviecher müßten das Bett hochheben und damit losmarschieren können.«
    »Die verfluchten Biester haben mich vergangene Nacht beinahe aus dem Bett geworfen. Stinkzeug.« In einem plötzlichen Wutanfall schlug Ewart auf die Myriaden von Wanzen ein.
    »Ruhig, Ewart.«
    »Ich kann nichts dagegen machen. Wenn ich die Biester nur schon sehe, kribbelt es mir auf der Haut.«
    Als sie das Bett ausgeräuchert hatten, ließen sie es zum Abkühlen stehen und reinigten ihre Matratzen. Dazu brauchten sie eine halbe Stunde. Dann kamen die Moskitonetze an die Reihe. Dazu brauchten sie noch eine halbe Stunde.
    Bis dahin waren die Betten so weit abgekühlt, daß man sie anfassen konnte. Sie bauten das zweistöckige Bett wieder zusammen, trugen es in die Baracke zurück und stellten es in die vier Büchsen – die sorgfältig gereinigt und mit Wasser gefüllt worden waren – und sorgten dafür, daß die Büchsenränder nicht die Eisenbeine berührten.
    »Was ist heute, Ewart?« fragte Peter Marlowe gedankenabwesend, als sie auf das Frühstück warteten.
    »Sonntag.«
    Peter Marlowe schauderte, als ihm jener andere Sonntag einfiel.
    Das war damals gewesen, nachdem der japanische Spähtrupp ihn aufgegriffen hatte. Er war an jenem Sonntag im Lazarett in Bandung gewesen. An jenem Sonntag hatten die Japaner allen kriegsgefangenen Patienten befohlen, ihre Habseligkeiten zu packen und zu marschieren, weil sie in ein anderes Lazarett verlegt werden sollten.
    Zu Hunderten hatten sie sich im Hof aufgestellt. Nur rangältere Offiziere gingen nicht mit. Sie wurden nach Formosa geschickt, wie Gerüchte wissen wollten. Der

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