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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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steht geschrieben: ›Kommt ein Fremder zu dir und bittet dich um Gastfreundschaft, dann gewähre sie ihm, auf daß du Gnade finden mögest vor Allahs Angesicht.‹«
    Der Häuptling hatte ihn bestürzt angesehen. Nußbraune Haut, kurze Bajujacke, bunter Sarong und schmuckes Kopftuch in der schnell sich verdichtenden Dunkelheit.
    »Was wissen Sie vom Koran und den Worten des Propheten?«
    »Dessen Name gelobt sei«, antwortete Peter Marlowe. »Der Koran ist schon seit vielen Jahren von vielen Männern ins Englische übersetzt worden.« Er kämpfte um sein Leben. Er wußte, daß er hier vielleicht ein Boot bekommen und damit nach Australien segeln konnte, wenn er jetzt hierbleiben durfte. Er hatte zwar nicht die geringste Ahnung, wie mit einem Segelboot umzugehen war, aber das Risiko lohnte sich. Gefangenschaft war gleichbedeutend mit Tod.
    »Sind Sie ein Rechtgläubiger?« fragte der erstaunte Häuptling.
    Peter Marlowe zögerte. Er hätte leicht vortäuschen können, ein Mohammedaner zu sein. Ein Teil seiner Ausbildung hatte aus dem Studium des Korans bestanden. Die Offiziere der Streitkräfte Seiner Majestät mußten in vielen Ländern dienen. Offiziere aus Familien, in denen das Offizierspatent sich vom Vater auf den Sohn vererbt, werden in vielen Dingen unterrichtet, die über die Schulbildung hinausgehen und sogar davon abweichen.
    Er wußte, daß er sicher sein würde, wenn er jetzt ja sagte, denn Java war hauptsächlich die Domäne Mohammeds.
    »Nein. Ich bin kein Rechtgläubiger.« Er war müde und am Ende seiner Kräfte. »Ich wüßte es jedenfalls nicht. Ich wurde gelehrt, an Gott zu glauben. Mein Vater sagte immer zu uns, zu meinen Schwestern und mir, Gott hat viele Namen. Selbst die Christen sagen, es gibt eine heilige Dreieinigkeit – es gibt also Teile von Gott.
    Ich glaube nicht, daß es darauf ankommt, wie man Gott nennt. Gott wird es nichts ausmachen, ob man ihn Jesus oder Allah oder Buddha oder Jehova oder einfach nur DU nennt – denn wenn er Gott ist, dann weiß er auch, daß wir alle nur vergänglich und endlich sind und von nichts viel wissen.
    Ich glaube, daß Mohammed ein von Gott geschickter Mann war, ein Prophet Gottes. Ich glaube, daß Jesus von Gott geschickt worden und der ›Untadeligste der Propheten‹ war, wie Mohammed ihn im Koran nennt. Ob Mohammed der letzte Prophet ist, wie er es behauptet hat, weiß ich nicht. Ich glaube nicht, daß wir Menschenkinder überhaupt über etwas Gewißheit haben können, das mit Gott zusammenhängt.
    Aber ich glaube nicht, daß Gott ein alter Mann mit langem weißem Bart ist, der hoch oben im Himmel auf einem goldenen Thron sitzt. Ich glaube nicht, wie Mohammed es versprochen hat, daß die Gläubigen in ein Paradies kommen werden, wo sie auf seidenen Kissen liegen und Wein trinken und viele schöne Jungfrauen um sich haben werden, die sie bedienen, oder daß das Paradies ein Garten mit grünem Laub und klaren Bächen und Bäumen voller Früchte sein wird. Ich glaube nicht, daß den Engeln Flügel aus dem Rücken herauswachsen.«
    Die Nacht senkte sich auf das Dorf herab. Ein kleines Kind weinte und wurde wieder in den Schlaf gewiegt.
    »Eines Tages werde ich bestimmt wissen, mit welchem Namen ich Gott anrufen muß. Es wird an dem Tage sein, an dem ich sterbe.« Das Schweigen verdichtete sich. »Ich glaube, es wäre niederschmetternd, wenn man entdeckte, daß es keinen Gott gibt.«
    Der Häuptling winkte Peter Marlowe zu, sich zu setzen.
    »Ihr dürft bleiben. Aber unter gewissen Bedingungen. Ihr schwört, unseren Gesetzen zu gehorchen und einer der unsrigen zu sein. Ihr arbeitet auf den Reisfeldern und im Dorf und verrichtet alle Arbeiten eines Mannes. Nicht mehr und nicht weniger als jeder andere Mann. Ihr werdet unsere Sprache erlernen und nur unsere Sprache sprechen, Ihr werdet unsere Kleidung tragen und Eure Haut färben. Eure Größe und die Farbe Eurer Augen werden es hinausschreien, daß Ihr ein Weißer seid, aber vielleicht können Farbe, Kleidung und Sprache Euch eine Zeitlang schützen, vielleicht können wir sagen, Ihr seid halb Javaner, halb Weißer. Ihr werdet hier ohne Genehmigung keine Frau berühren. Und Ihr werdet mir, ohne zu fragen, gehorchen.«
    »Einverstanden.«
    »Noch etwas. Es ist gefährlich, einen Feind vor den Japanern zu verbergen. Ihr müßt also wissen, daß ich mich für mein Dorf entscheiden werde, falls einmal eine Zeit kommt, wo ich zwischen Euch und dem Dorf wählen muß.«
    »Ich verstehe. Ich danke Ihnen,

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