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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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zum Essenfassen anstehende Schlange an. Raylins gab den Reis aus. Gut, dachte er, da braucht man sich heute keine Sorgen zu machen.
    Raylins war ein kahlköpfiger Mann mittleren Alters. Er war ein kleiner Abteilungsleiter bei der Bank von Singapur und wie Ewart beim Malaiischen Regiment gewesen. In Friedenszeiten war es großartig, einer solchen Einheit anzugehören. Es gab viele Gesellschaften, Kricket, Polo. Man mußte schon beim Regiment sein, wenn man jemand sein wollte. Raylins kümmerte sich auch um die Verpflegung, und Festmahle waren seine besondere Spezialität. Als man ihm ein Gewehr in die Hand drückte und ihm erklärte, er wäre ab sofort im Kriegseinsatz und hätte den Befehl, seinen Zug über den Damm zu führen und gegen die Japaner zu kämpfen, hatte er den Oberst nur angesehen und gelacht. Sein Arbeitsbereich waren die Konten. Aber es hatte ihm nichts geholfen, und er hatte zwanzig Mann nehmen müssen, die ebensowenig ausgebildet waren wie er selbst, und war mit ihnen die Straße hinaufmarschiert. Er war marschiert, und dann waren seine zwanzig Leute plötzlich nur noch drei. Dreizehn waren bei dem Überfall auf der Stelle getötet worden. Vier waren nur verwundet. Sie lagen schreiend mitten auf der Straße. Einem hatte es die Hand weggerissen, und er starrte einfältig auf den Stumpf, fing mit der anderen Hand sein Blut auf und versuchte, es wieder in den Arm zurückzuschütten. Ein anderer lachte und lachte, während er seine Eingeweide in das klaffende Loch zurückstopfte.
    Raylins hatte blöde geglotzt, als der japanische Panzer mit feuerspeienden Geschützen und Maschinengewehren die Straße heruntergerasselt kam. Dann war der Panzer vorbei, und die vier waren nur noch Flecken auf dem Asphalt. Er hatte zu seinen ihm noch verbliebenen drei Männern hingesehen – Ewart war einer davon. Sie hatten seine Blicke erwidert. Dann waren sie, von Entsetzen gepackt, davongelaufen, in den Dschungel hinein. Dann hatten sie sich verirrt. Dann war er allein, allein in einer entsetzlichen Nacht voller Blutegel und Geräusche, und das einzige, was ihn vor dem Wahnsinn rettete, war ein malaiisches Kind, das den Stammelnden gefunden und ihn zu einem Dorf geführt hatte. Er hatte sich in das Gebäude geschlichen, in dem die Überreste einer Armee versammelt waren. Am nächsten Tag erschossen die Japaner zwei von jeweils zehn Mann. Er wurde zusammen mit einigen wenigen in dem Haus festgehalten. Später wurden sie in einen Lastwagen gepfercht und in ein Lager abgeschoben, und dort war er unter seinen eigenen Leuten. Aber er konnte nie seinen Freund Charles vergessen, den Mann mit den heraushängenden Eingeweiden.
    Raylins verbrachte die meiste Zeit in einem Dämmerzustand. Er konnte einfach nicht begreifen, wieso er sich nicht in seiner Bank befand und seine Zahlen addierte, saubere und klare Zahlen, und warum er in einem Lager steckte, wo er sich in einem Punkte glänzend hervortat: Er konnte eine unbekannte Menge Reis in genau die richtige Anzahl von Portionen aufteilen. Beinahe bis aufs Korn.
    »Ah, Peter«, sagte Raylins, als er ihm seinen Teil gab. »Sie haben doch Charles gekannt, nicht wahr?«
    »O ja, ein netter Kerl.« Peter Marlowe kannte ihn nicht. Keiner von ihnen kannte ihn.
    »Glauben Sie, daß er sie wieder hineingebracht hat?« fragte Raylins.
    »Aber ja. Bestimmt.« Peter Marlowe nahm sein Eßgeschirr, und Raylins wandte sich bereits an den nächsten Mann in der Schlange.
    »Ah, Kaplan Grover, es ist warm heute, nicht wahr? Sie haben doch Charles gekannt, nicht wahr?«
    »Ja«, antwortete der Kaplan, und seine Augen waren auf seine Portion Reis gerichtet. »Ich bin sicher, daß es ihm gelungen ist, Raylins.«
    »Gut, gut. Es freut mich, das zu hören. Es ist doch sonderbar, wenn man seine Eingeweide statt im Innern plötzlich außen entdeckt, einfach so.«
    Raylins Geist wanderte zu seiner kühlen, kühlen Bank und zu seiner Frau, die er heute abend, wenn er die Bank verließ, in ihrem netten kleinen Bungalow neben der Rennbahn sehen würde. Wie war das doch gleich, dachte er, ach ja, heute gibt es Lamm zum Abendessen. Lamm! Und dazu ein kühles Bier. Dann werde ich mit Pénélope spielen, und meine Frau wird sich freuen, wenn sie sich auf die Veranda setzen und nähen kann.
    »Ah«, sagte er voll Glück, als er Ewart erkannte. »Möchten Sie nicht heute abend zu uns zum Essen kommen, Ewart, alter Junge? Vielleicht möchten Sie gerne Ihre Frau mitbringen.«
    Ewart murmelte etwas mit

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