Rattentanz
mit einem Spiegel darüber. Er betrachtete verächtlich den Spiegel und dessen Position zum Bett.
»Macht euch wohl an, wenn ihr euch beim Vögeln zusehen könnt, was?« Kiefer trat gegen das Bett und eines von einem halben Dutzend Kuscheltieren, die Lea vergangene Nacht hierhergeschleppt hatte, kullerte auf den Boden. Dann öffnete er eine Schublade der Kommode nach der anderen, ohne aber etwas Interessantes zu finden. Im Nachtschrank auf der Kuscheltierseite befanden sich nur grobe Männersocken und Unterhosen, sonst nichts. In ihrem Nachtschrank hingegen fand er zwei alles andere als jugendfreie DVDs und Spielzeug für sie und für ihn! Er konnte nicht fassen, was er sah! Er musterte den goldenen Vibrator, dann trat er gegen den Nachtschrank. »Du bist selbst schuld, du Idiot!«, beschimpfte er sich. »Wenn du in ihren Sachen wühlst, musst du damit rechnen, solchen Dreck zu finden. Aber das wird sie büßen, das Miststück!« Er ging zum Kleiderschrank, öffnete ihn und da fand er auch endlich, wonach er gesucht hatte!
Fein säuberlich lagen in Augenhöhe auf einem großen Stapel ihre Slips, genau so, wie er es noch von ihr kannte, aus der Zeit, als sie noch dort war, wo sie hingehörte. Er ließ seine Finger beinahe zärtlich über die verschiedenen Stoffe gleiten, als könne er sie so erspüren und je den einzelnen Tag, an dem sie einen dieser Stoffe am Körper gehabt hatte. Da waren bunte, weiße mit Wochentagsaufschrift und kleine, ganz knappe Slips mit Spitzen und nur einem hauchdünnem Faden als Hinterteil. Kiefer legte das Gewehr aufs Bett und suchte sich einen Slip aus dem Stapel, ein knallrotes Nichts. Den hatte sie früher manchmal getragen, früher, als sie noch gewusst hatte, für wen sie sich hübsch zu machen hatte. Diesen oder einen Slip, der dem zum Verwechseln ähnlich sah. Er roch an dem Stoff. Dann legte er ihn enttäuscht zurück. Nichts. Nur billiger Weichspüler.
Der Rest blieb uninteressant. Hosen, Blusen, Shirts und Jacken. Er schloss den Kleiderschrank und nahm sein Gewehr. Noch ein letzter Blick.
Fast schon wieder im Erdgeschoss, fiel ihm plötzlich etwas ein. Er machte kehrt, rannte zurück und ins Bad. Hinter der Tür stand ein großer Wäschekorb. Er schüttete ihn in die Badewanne und durchwühlte die getragenen Kleidungsstücke. Und da endlich wurde er fündig, wurde seine Nase fündig! Mit geschlossenen Augen vergrub er sein Gesicht in dem kleinen Stofffetzen und sog ihren Duft tief in sich ein. Das war Eva! So roch nur sie, seine Frau, seine Liebe, sein Leben. Seine Zukunft.
Eva.
Kiefer setzte sich auf den Toilettendeckel und war bei ihr. Sie war endlich zurückgekommen, Eva war in ihm, so wie er bald wieder in ihr sein wollte.
Als er zwanzig Minuten später das Haus verließ, trug er Evas Slip in seiner rechten Hosentasche. Außerdem hatte er einen Entschluss gefasst.
Seit Eva am Vortag zurückgekehrt war und er ihr auf einmal so nahe kam wie seit ihrer Scheidung nicht mehr, jagte ein Adrenalinschauer nach dem anderen durch seinen Körper. Warum hatte er die beiden Zimmer in seinem Haus so gestaltet, wie er sie gestaltet hatte? Wozu hatte er den Tisch gebaut? Als Dekoration oder um ihn eines Tages auch zu benutzen? Er hatte Jahre damit verbracht, sich diese wundervollen Momente vorzustellen, die Evas Rückkehr in sein Haus folgen mussten. Jetzt war dieser Traum völlig unerwartet zum Greifen nahe. Was jetzt?
Er schleppte diese aufgeregte Angst mit sich, ein Kribbeln der Unsicherheit. Wird es so werden, wie er es sich Tausende Male vorgestellt hat? Wird es vielleicht sogar noch besser, noch schöner? Oder, und dies war der Punkt, der ihn zögern ließ, oder folgen dem ersten En thusiasmus viel zu schnell Ernüchterung und Enttäuschung? Er schwankte zwischen dem Erhalt eines Traumes und dessen Vernichtung, indem er ihn schließlich realisierte.
Nachdem ihnen am Vortag Hermann Fuchs hatte entwischen können, hatten sie die zwanzigtausend Euro Beute in Georg Sattlers leerstehendem Haus versteckt. Ab sofort war dies ihr offizieller Stützpunkt. Sie hatten Baslers Einverständnis und dieses Einverständnis kam sie nicht einmal halb so teuer wie von Kiefer ursprünglich veranschlagt. Obwohl sich Kiefer offiziell für Wellendingen entschieden hatte, sah er doch jeden Tag nach seinem Haus in Bonndorf. Wichtiger als sein Eigentum waren ihm aber fast noch seine alten Kontakte, allen voran der zu Christian Stadler, seinem alten Schulfreund und Elektriker. Von Stadler wusste Kiefer
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