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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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oder?«
    »Ja.«
    »Also gut.« Bubi stieß die Worte hervor wie einen zu heißen Bissen, den er schnell wieder loswerden wollte. »Ich komme mit. Wann sollen wir aufbrechen?«
    »Ich geb dir Bescheid. Aber bereite die Sachen vor, die du mitnehmen willst. Wenn es so weit ist, muss es schnell gehen. Und dann hole ich euch ab.«
    »Uns?«
    »Dich. Und Eva.«

79
    28. Mai, 09:12 Uhr, bei Trelleborg, Südschweden
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    Über Nacht hatte sich das Wetter geändert. Der makellos blaue Himmel der Vortage hatte sich in eine graue Masse verwandelt. Unbeweglich hing diese über der Ostsee und verschmolz am Horizont mit einem ebenfalls grauen Spiegelbild.
    Hans Seger konnte sein Glück kaum fassen. Eben noch zum Tode verurteilt, dann plötzlich gerettet. Malow hatte ihm etwas zu essen ge geben, während Tina aus dem nahen Bach frisches Wasser holte. Hans stürzte sich darauf, trank, gierig wie ein Hund in der Mittagssonne, und erbrach es umgehend. Erst im zweiten Anlauf ging es besser.
    Sie diskutierten bis weit nach Mitternacht, wie sie zurück nach Deutschland gelangen sollten. Hans wollte nach Trelleborg, hoffte, im dortigen Hafen ein Boot auftreiben zu können. Tina und Malow aber ließen in diesem Punkt nicht mit sich reden: nie wieder wollten sie eine Stadt betreten. Nie mehr! Und Hans zerstörte Malows Pläne, in dem er von der unpassierbaren Öresundbrücke berichtete. Ohne einen konkreten Plan zu fassen, schliefen sie ein.
    Henning Malow erwachte mit dem ersten Morgengrauen. Eine Möwe saß auf dem Verandageländer und äugte zu den Schlafenden in die Hütte. Malow fror. Wie die anderen auch hatte er nur eine dünne Decke, die sie in der zweiten Hütte fanden, um sich gegen die Kälte der Nacht zu schützen. Der namenlose Junge lag in Tinas Armen und träumte. Tina hatte ihm einen Namen geben wollen, aber alles in Henning Malow sträubte sich dagegen. Hatte dieser Junge erst einen Namen, verwandelte er sich in einen Teil ihrer Gemeinschaft. Jetzt handelte es sich noch um irgendein Kind, ein Name machte ihn greifbar, genauso die eigene Verantwortung für ihn.
    Malow ging auf die Veranda und streckte sich. Die Möwe flatterte davon. Malows Blick fiel auf die vielen, vielen Holzstangen, mit deren Hilfe Hans Seger am Vortag das Boot zum Strand gebracht hatte. Fast hätte dieser Seger es geschafft, dachte Malow. Er betrachtete die Hölzer und dieser Anblick setzte irgendetwas in ihm in Bewegung. Von einem Moment auf den anderen war alles sonnenklar! Das war es! Das war die Rettung!
    Malow stand von einer Sekunde zur anderen plötzlich unter Hochspannung. Er schlug mit der Faust auf das windschiefe Geländer, dann rannte er zu den Stangen.
    »Was ist denn mit dem los?« Tina stand am Fenster und blickte Malow hinterher.
    Der sammelte die Holzstangen auf und legte sie säuberlich nebeneinander in den Sand.
    »Vielleicht hatte er eine Erleuchtung, wie er sein Auto freibekommt.«
    Aber die Erklärung war eine andere. Ganz einfach, wenn man draufkam.
    »Habt ihr in den Hütten Seile und Stricke gesehen?«
    Tina zog die Mundwinkel nach unten; ihr war nichts aufgefallen. Der Junge in ihren Armen wurde wach und sah zu ihr auf. Tina war noch da und seine Welt somit in Ordnung.
    Hans Seger aber konnte sich besser erinnern. »In einer Hütte hing irgendwas neben der Tür. Aber sagen Sie mir lieber, was Sie damit wollen.«
    »Holen Sie erst das Seil, dann werde ich es euch zeigen.«
    Als Hans mit zwei dicken Seilen zurückkam, hatte Malow bereits ein gutes Dutzend Stangen nebeneinander aufgereiht. Die mittlere Stange zeigte am weitesten zum Wasser, die rechts und links folgenden Hölzer rückten mit jeder weiteren eine Fußlänge zurück. Es entstand ein hölzerner Pfeil, der nach Deutschland wies.
    »Was wird das?« Tina ging um das Bauwerk herum und betrachtete es von allen Seiten. »Wollen Sie einen Wegweiser hinterlassen?«
    »Besser. Viel besser!« Er betrachtete seine Konstruktion, dann Tina und Seger. Aber keiner der beiden konnte seine Eingebung nachvollziehen.
    »Setzt euch drauf.« sagte er. Tina sah fragend zu Hans hinüber.
    »Richtig! Das ist es.«
    »Was ist was?«
    »Ein Floß!«
    »Endlich! Ich dachte schon, ihr kommt nie drauf.« Als Malow auf die Rollen kletterte, leuchteten seine Augen vor Eifer. »Wir hätten alle Platz darauf. Rechts und links noch ein Ruder und es könnte losgehen.«
    »Und wie machen wir die Rollen untereinander fest?«, fragte Tina.
    »Mit den Seilen natürlich«, riefen Hans und Malow

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