Rau ist die See ...
anzutreten. Im Gepäck: Die Beute aus dem Juwelenraub im Auktionshaus Morningdale (wir berichteten), deren Gesamtwert auf mehr als eine halbe Million Pfund Sterling geschätzt wird. Doch die Flucht fand ein schnelles Ende. George M. wurde von einem aufmerksamen Passagier erkannt. Der Kapitän alarmierte daraufhin die norwegischen Behörden. Eine Spezialeinheit der Polizei kam an Bord. George M. konnte fliehen, wurde jedoch wenig später von den Beamten verhaftet. Er leistete keinen Widerstand. Bei Befragungen gab er an, die Beute über Bord geworfen zu haben. Eine sofortige Durchsuchung des Schiffs ergab keinen Hinweis auf den Verbleib der Juwelen. Der Verbrecher wurde nach Großbritannien ausgeliefert, wo ihm wegen Raub und schwerem Diebstahl der Prozess gemacht wurde. Da George M. mehrfach vorbestraft ist und eigentlich auf Bewährung auf freiem Fuß war, verurteilte ihn das Königliche Gericht zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren ohne Bewährung.
Jade dachte über den Artikel nach. Sie musste schmunzeln, als sie sich die Durchsuchung der MS Kyrene vorstellte. Wenn die Polizisten wirklich in jedem Winkel nachgeschaut hätten, wären sie wahrscheinlich immer noch damit beschäftigt. Ob man bei der Suche nach Schmuck Spürhunde einsetzen konnte? Daran hatte Jade so ihre Zweifel.
Auf jeden Fall war es möglich, dass sich die Juwelen immer noch an Bord befanden. Deshalb suchte Roxanne offenbar so fieberhaft danach. Ob sie auch etwas mit dem Juwelendieb zu tun hatte? Sein Name, den die Zeitung auf George M. verkürzt hatte, lautete George Milner. Das las Jade in anderen Beiträgen im Internet.
Eine Verbindung zwischen Roxanne White und George Milner konnte Jade jedoch nicht finden. Allerdings bestätigte sich ihr Verdacht, dass Roxanne alles andere als ein internationales Topmodel war. Im Netz gab es lediglich ein Foto von Roxanne im Bikini, das für den Reklamekalender einer Spedition in Birmingham aufgenommen worden war. Doch das war Jade herzlich egal. Für sie zählte nicht Roxannes fragwürdige Modelkarriere, sondern der Mord.
Wer war das Opfer gewesen?
Auf diese Frage fand Jade einfach keine Antwort. Ann hatte in ihrem Videotagebuch keine genauen Angaben über den Mann hinterlassen, der niedergeschlagen und über Bord geworfen worden war.
Den Mann? Jade wurde stutzig, als sie über diesen Punkt nachdachte.
Ann hatte Roxanne ja anscheinend für einen Mann gehalten. Konnte dann nicht auch das Mordopfer eine Frau gewesen sein?
Jade schüttelte den Kopf. Sie kam so nicht weiter. Dafür fehlten ihr entscheidende Informationen.
Als Nächstes gab sie als Suchbegriff „Ann Brockwell“ ein.
Wie sich schnell herausstellte, stammte Ann wirklich aus einer sehr reichen Familie. Ihr Urgroßvater hatte die Privatbank Brockwell & Sons gegründet. Jade verstand wenig bis nichts vom Finanzmarkt, aber anscheinend war die Bank dank cleverer Investitionen halbwegs unbeschadet durch die Wirtschaftskrise gekommen.
Ann war auf einer sehr exklusiven Privatschule gewesen. Ein Klassenfoto auf der Homepage dieses Internats zeigte Ann gemeinsam mit ihren Mitschülerinnen. Auf diesem Foto lächelte Ann glücklich und schaute strahlend in die Kamera.
Bei dem Anblick verspürte Jade einen Stich. Ann tat ihr plötzlich sehr leid. Momentan lachte sie mit Sicherheit nicht – falls sie überhaupt noch lebte. Jade wollte diesen Gedanken nicht zulassen, aber er drängte sich ihr immer wieder auf. Doch solange es keinen handfesten Beweis für Anns Tod gab, weigerte Jade sich, daran zu glauben.
Sie musste sie finden. Denn Ann war der Schlüssel zu diesem Fall, das spürte Jade ganz deutlich. Wenn ihre Vorgängerin wieder auftauchte, dann konnten sowohl der Mord als auch der Juwelendiebstahl aufgeklärt werden.
„Hey, Jade.“
Jade zuckte zusammen und drehte sich überrascht um. Sie war so in ihre Recherche vertieft gewesen, dass sie Rick gar nicht bemerkt hatte. Er stand an der offenen Tür der Schiffsbücherei und kam nun auf sie zu.
Schnell, fast schon panisch, klickte Jade die Seite mit ihrer Suchmaschinen-Abfrage weg. Sie hatte nichts gegen Rick, eigentlich fand sie ihn sogar ziemlich aufregend. Aber sie wollte ihn nicht in ihre Nachforschungen einbeziehen. Es reichte, dass sie Henry eingeweiht hatte – der bisher noch nichts über Peter herausgefunden hatte.
„Hallo, Rick“, erwiderte sie und klickte auf eine Homepage, die detaillierte Wetterberichte für die britischen Inseln anzeigte. „Ich habe mir gerade
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