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Raue See

Raue See

Titel: Raue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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Urlaub war Claudia immer heilig gewesen. Morgen sollte der Flieger gehen. Zwei Wochen Türkei, all inclusive. Doch seit Tagen schon konnte sie ihre Schwester nicht erreichen. Dabei gab es noch letzte Details zu besprechen. Aber Claudia war wie vom Erdboden verschluckt. Auch bei ihrer Mutter hatte sie sich nicht gemeldet. Ihr Handy war tot. Ihr Wagen weg. Die Wohnung unbewohnt.
    Sie parkte ihren Wagen, schloss ab und setzte sich mit einem Ruck in Bewegung. Vor dem Eingang der Kreispolizeibehörde am Walter-Pauli-Ring atmete sie noch einmal tief durch. Sie ging durch den Eingang und sprach mit dem Beamten, der in einer Pförtnerloge hinter schusssicherem Glas saß.
    »Guten Tag, mein Name ist Stephanie Voigt. Ich möchte jemanden vermisst melden.«
    Der Türöffner summte, und Stephanie betrat das Gebäude. Sie wurde von einem freundlichen Polizeibeamten empfangen, der sich ihr als Georg Glemnitz vorstellte.
    »Seit wann vermissen Sie denn Ihre Schwester?«, wollte er wissen, nachdem sie in seinem Büro Platz genommen hatten.
    »Seit ein paar Tagen. Meine Schwester ist Lehrerin, und jedes Jahr in den Sommerferien fahren wir zusammen in den Urlaub. Morgen soll’s in die Türkei gehen. Ich erreiche sie aber nicht. Das ist sehr ungewöhnlich.«
    »Haben Sie schon bei Freunden und Bekannten nachgefragt?«
    Stephanie Voigt nickte. »Ja, auch die haben seit dem letzten Schultag nichts von ihr gehört. Das war vor zwei Wochen, am 6.   Juli.«
    »6.   Juli, sagen Sie?«
    »Ja.« Stephanie hatte den Eindruck, dass der Polizist das Datum ungewöhnlich interessant fand. »Warum ist das von Bedeutung?«
    Glemnitz druckste herum. »Ich will Sie keinesfalls beunruhigen. Die meisten Vermissten tauchen nach einer Weile wieder auf, und es muss überhaupt nichts bedeuten. Aber wir haben letzte Woche ein Schreiben der Kripo in Rostock erhalten, wonach diese besonderes Interesse an allen weiblichen Vermissten haben, die in den vergangenen acht Wochen verschwunden sind.«
    »Warum interessiert sich die Polizei in Rostock für Personen, die in Köln verschwunden sind?«, fragte Stephanie verwundert.
    »Wie gesagt, das muss nichts bedeuten«, wich er ihrer Frage aus. »Waren Sie in der Wohnung Ihrer Schwester?«
    Stephanie bejahte. »Und das Komische ist, dass der Kühlschrank voll war. Es sah nicht so aus, als ob sie wegwollte. Soweit ich das beurteilen kann, hat sie auch nichts aus dem Bad mitgenommen. Und das bei Claudia. Die geht ja nicht einmal Brötchen holen, ohne sich vorher geschminkt zu haben.«
    »Hat Ihre Schwester ein Auto?«
    »Ja, einen blauen Golf.«
    »Kennzeichen?«
    »Äh, K für Köln und dann CM … aber welche Nummer?«
    Glemnitz tippte irgendetwas in den Computer. » K - CM -3345, blauer Golf. Stimmt.«
    »Woher haben Sie das?«, fragte Stephanie verwirrt.
    »Suchmaske der Zulassungsstelle«, sagte Glemnitz.
    »Was machen Sie jetzt?«, wollte Stephanie wissen.
    »Ich schreibe Ihre Schwester und das Auto zur Fahndung aus. Wahrscheinlich ist sie aber bald wieder da. Haben Sie zufällig Fotos von ihr dabei?«
    Stephanie kramte in ihrer Handtasche und überreichte Georg Glemnitz einen USB -Stick. »Hier sind jede Menge Fotos drauf. Habe ich zusammengestellt.«
    »Vielen Dank. Ich halte Sie auf dem Laufenden«, sagte Glemnitz und reichte ihr zum Abschied die Hand.
    »Meinen Sie, Sie finden sie?«, fragte Stephanie.
    »Bestimmt«, sagte Glemnitz beruhigend. »Ich sagte doch schon, die meisten tauchen wieder auf.«
    Als Stephanie Voigt sein Büro verlassen hatte, atmete Glemnitz tief durch. Das Schreiben aus Rostock verhieß nichts Gutes. Ein Serienmörder trieb dort sein Unwesen, und die Kollegen vor Ort hatten bislang nicht eines der Opfer identifizieren können. Sicher war nur, dass die Frauen alle zwischen dreißig und fünfzig waren. Wie Claudia Voigt. Es konnte aber auch ein Zufall sein. Schließlich war das eine sehr weite Altersspanne, und Claudia Voigt war ja auch nicht die einzige Frau in diesem Alter, die vermisst wurde. Dennoch schrieb er sofort eine E-Mail an die Rostocker Kollegin Wiebke Menn.
    * * *
    Sie saßen zu dritt auf einer Stange und warteten auf Kundschaft. Früher war hier in Strážný, dem ersten tschechischen Ort nach dem Grenzübergang Philippsreut, mehr los gewesen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs war die Gegend zu einem der größten Straßenstriche in Europa geworden. Das hatte einerseits daran gelegen, dass die Mädchen ihre Dienste zu konkurrenzlos günstigen Preisen anboten. Das

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