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Raue See

Raue See

Titel: Raue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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Internetseite hochladen würde, war ihr herzlich egal.
    Auf deutscher Seite waren sie erst wenige Kilometer gefahren, als der Alte den Blinker setzte und in einen Feldweg einbog. Dort stand ein anderes Auto mit deutschem Kennzeichen, das sie aber noch nie vorher gesehen hatte.
    »Da ist schon jemand«, sagte sie.
    »Ja, und?«, erwiderte er einsilbig.
    Bojana dachte an ihre fünfhundert Euro und hielt den Mund.
    Der Mann parkte neben dem anderen Auto und befahl ihr auszusteigen. »Zieh dich aus.«
    Bojana entledigte sich mit aufreizenden Bewegungen ihrer Kleidung.
    »Schneller!«, herrschte er sie an.
    Arschloch, dachte sie, tat aber, was er von ihr verlangte. Sie sah, dass er bereits seinen Fotoapparat in der Hand hielt. Kurz darauf war sie völlig nackt. Nur ihre hohen weißen Lederstiefel zierten noch ihre langen Beine.
    »Die auch?«, fragte sie.
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Geh zum Kofferraum. Stütz dich ab und halte deinen Arsch hoch«, verlangte er.
    Als sie in dieser Haltung war, spürte sie, wie er näher kam. Dann klatschte es. Der Schmerz des viel zu heftigen Schlages auf ihren Hintern ließ Tränen in ihre Augen schießen. Ihre Nase kribbelte. Seine Hände wanderten ihren Rücken hinauf. Sie konnte ihn nicht sehen, aber seinen Atem spüren. Sie glaubte, er würde jeden Augenblick in sie eindringen.
    »Gute Nacht«, hörte sie ihn stattdessen sagen, als er den Arm um ihren Oberkörper schlang und ihr etwas unter die Nase hielt. Chloroform, dachte sie seltsam gefasst. Dann spürte sie nichts mehr.
    * * *
    Der Mann verlud seine Fracht in das andere Auto, injizierte ihr das Sedativum und deckte sie sorgfältig ab. Dann tränkte er die Sitze des Prelude mit Benzin und drapierte den Zeitzünder auf dem Fahrersitz.
    Ihre Kleidung sowie seine Verkleidung warf er ebenfalls in das Auto, das in wenigen Minuten sämtliche verwertbaren Spuren verbrennen würde.
    Er fuhr zurück auf die B12. Bis zur Ostsee war es noch weit, und er hatte einen Zeitplan einzuhalten. Langsam fiel die Anspannung von ihm ab. Es hatte schließlich alles prima geklappt. Die Nutte würde keiner suchen. Wer vermisste schon eine Nutte? Und selbst wenn, würden sie nie auf ihn kommen. Dazu war er zu schlau und sie zu dumm. Wissen wir doch ganz genau: / Niemals fängt uns eine Frau. Er lächelte und dachte an seine Fracht. Bald würde er ihr seine volle Aufmerksamkeit widmen.
    * * *
    Wiebke brannten die Augen, als sie die nächste Akte nahm. Die Neonleuchten in ihrem Büro verbreiteten ein helles, aber ungemütliches und steriles Licht. Lena saß ihr gegenüber und wirkte konzentriert, wenn auch ebenfalls müde.
    »Willst du auch einen?«, fragte Wiebke, als sie aufstand und zum Sideboard ging, um sich einen Kaffee zu holen.
    »Gern«, sagte Lena und gähnte herzhaft.
    Wiebke goss viel Milch in den Becher. Sie wusste inzwischen, dass Lena den Kaffee mit viel Milch und wenig Zucker mochte. Sie stellte den Becher neben die Tastatur des Computers auf Lenas Schreibtisch und setzte sich auf die Kante.
    »Wie weit bist du?«, fragte sie.
    »Es ist komplizierter, als wir gedacht haben«, sagte Lena und trank einen Schluck. »Immer dann, wenn ich glaube, eine könnte eines unserer Opfer sein, taucht sie wieder auf. Und es sind verdammt viele. Wie läuft es bei dir?«
    »Die Kollegen melden zwar brav die noch nicht eingepflegten Fälle, aber leider auch viel Mist. Manchmal glaube ich, dass die nicht lesen können. Ich frage ausdrücklich nach ungeklärten Fällen, die Frauen betreffen, und was schicken die mir? Verschwundene Ehemänner, vermisste Kinder.«
    »Ist nicht dein Ernst.« Lena verzog das Gesicht.
    »Jedenfalls hält es ungemein auf. Elf Fälle sind es bisher, die in unser Raster passen. Leider alle von überall her und nicht aus dieser Gegend oder wenigstens aus Norddeutschland. Wenn eines unserer Opfer dabei ist, muss unser Mann über eine gute Logistik und viel, viel Zeit verfügen.«
    »Oder er hat einen Helfer«, meinte Lena.
    »Hatte ich mir auch schon überlegt. Aber das glaube ich nicht mehr.«
    »Warum?«
    »Bergmüller argumentiert, dass es kaum zwei oder drei Psychos von derselben Sorte geben kann, die sich dann auch noch kennen.«
    »Vielleicht sind sie aus derselben Anstalt ausgebrochen«, versuchte Lena einen Scherz.
    »Vergiss es«, sagte Wiebke in scharfem Ton. »Das habe ich überprüft. Aus keiner der einschlägigen Anstalten ist in der letzten Zeit auch nur ein einziger Insasse ausgebrochen.«
    Lena zuckte zusammen.

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