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Raue See

Raue See

Titel: Raue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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Oberschenkel zusammenpressen, und so konnte man nicht Auto fahren. Er wechselte also auf die rechte Spur, setzte den Blinker und fuhr auf die Raststätte Brokdorf Ost auf der A7.
    Er parkte direkt vor dem Hintereingang der Autobahnraststätte, wo man direkten Zugang zu den Toiletten hatte. Aus der Ablage in der Mittelkonsole, wo er immer ein paar Münzen hatte, nahm er eine Euromünze, überprüfte noch mal, ob die Frau auch schlief, stieg aus, schloss das Auto ab und rannte mehr, als dass er ging, in das Raststättengebäude.
    Am Drehkreuz der Sanifair-Anlage warf er den Euro in den Schlitz, ignorierte das Wechselgeld und den Gutschein, den man erhielt, wenn man die WC -Anlage benutzte, und erreichte die Pissoirs. Im buchstäblich allerletzten Moment schaffte er es, den Reißverschluss seiner Hose zu öffnen, »ihn« herauszuholen und sich zu erleichtern.
    * * *
    Weiter so zu tun, als sei sie bewusstlos, nachdem sie vor einer gefühlten Ewigkeit das Bewusstsein wiedererlangt hatte, war Katharina Shkarupa unendlich schwergefallen. Doch ihr war klar, dass sie in einer Falle saß und tot wäre, wenn sie einen Fehler machte. Sie hatte sich also am Riemen gerissen und weiter so getan, als würde sie schlafen, während sie fieberhaft überlegte, wie sie aus dem Auto und aus den Fängen dieses Typen fliehen könnte.
    Als der Kerl nun unter gemurmelten Flüchen anhielt und aus dem Auto stieg, wartete sie noch kurz, bis die Zentralverriegelung den Wagen absperrte. Sie blinzelte und sah ein Toilettenschild über einer Tür, durch die er verschwand. Es war offensichtlich, dass ihr nur eine ganz kurze Zeit zur Flucht blieb. Sie löste den Gurt und öffnete die Tür des Autos. Es war ihr Glück, dass der Wagen zu denen gehörte, die man, obwohl verschlossen, von innen öffnen konnte. Sie stieg aus und rannte. Erst einmal nur weg, dachte sie. Er darf mich nicht kriegen. Weg hier. Bloß weg.
    * * *
    Der Mensch ist doch eine ziemliche Fehlkonstruktion, dachte er, als er das Raststättengebäude verließ. Kaum drückt die Blase, kann man an nichts anderes mehr denken als daran, wo man sich erleichtern kann.
    Er erblickte sein Auto, begriff sofort und geriet in Panik. Die Beifahrertür war offen. Sie war wach geworden und weg. Sein Puls raste, er drohte zu hyperventilieren. Wie hatte sie wach werden können? Hatte er ihr zu wenig gegeben? Wirkte das Zeug bei Russinnen etwa nicht? Nicht einmal eine Zigarette konnte ihn beruhigen.
    Er zwang sich nachzudenken. Erst einmal musste er weg von hier. Die Alte würde unter Garantie die Bullen benachrichtigen. Es war nur eine Frage von Minuten, bis sie da waren. Später müsste auch das Auto weg. Versenken, verbrennen, wie auch immer. Und in Zukunft müsste er noch vorsichtiger werden.
    Mit diesen Gedanken startete er den Wagen und verließ mit hoher Geschwindigkeit den Rastplatz. Dann wurde ihm klar, dass er Hilfe brauchen würde. Und er wusste auch schon, wo er welche bekäme. In Rostock.
    * * *
    Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto größer wurde Wiebkes Panik. Sie hatte Angst. Angst vor dem Alleinsein. Vor dem großen Haus. Vor der Leere. Als Bergmüller bremste und einparkte, sagte sie, ohne darüber nachzudenken, dass es für ihn wie eine eindeutig zweideutige Einladung klingen musste: »Kommst du noch auf einen Kaffee mit rein?«
    Er sagte nur: »Natürlich«, stieg aus dem Wagen, öffnete ihr die Tür und holte das Gepäck aus dem Kofferraum. Dann folgte er Wiebke in den Flur und stellte die Tasche ab.
    Sie sehnte sich nach einer Schulter zum Anlehnen. Er war da. Sie brauchte Stärke. Er war stark. Wie ferngesteuert schlang sie ihre Arme um seinen Hals und presste ihre Lippen auf seine. Nach anfänglichem Zögern erwiderte er ihren Kuss. Ihre Hände wanderten an ihm herunter und ergriffen sein Gesäß. Mit einem Ruck zog sie ihn zu sich heran. Langsam begann auch er, mit ihrem Körper zu spielen. Seine Hand wanderte unter ihren Pullover, und er streichelte über ihren nackten Rücken. Wohlige Schauer durchflossen sie. Sie bekam eine Gänsehaut.
    »Komm«, flüsterte sie ihm ins Ohr, nahm seine Hand und ging mit ihm ins Schlafzimmer.
    * * *
    Günter hatte den Strauß langstieliger Rosen der sauteuren Sorte »Black Baccara« lieblos auf den Wohnzimmertisch geschleudert. Es waren vielleicht fünf Minuten vergangen, seit er die Tür zu seinem Haus aufgeschlossen hatte. Das merkwürdige Gefühl, irgendwie ein Einbrecher zu sein, verdrängte er. Er hatte das Recht, hier zu

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