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Raum in der Herberge

Raum in der Herberge

Titel: Raum in der Herberge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klose
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wieder. Jeder wanderte für sich weiter — Roy schweren
Herzens und Celine mit nach und nach immer größer werdenden Zweifeln. Da hatte
sie einen derart netten Mann getroffen und schickte ihn weg, bloß weil er ihr
momentan nicht ins Konzept passte! Reumütig begann sie, in den
Herbergsgästebüchern Botschaften für ihn zu hinterlassen: „Roy, ich gehe ganz
langsam, damit du mich einholen kannst. Ich möchte dich gerne wiedersehen.“
    Irgendwann
stieß Roy, der aus lauter Kummer Umwege gemacht hatte, um Celine nicht wieder
zu begegnen, auf diese Botschaften und beeilte sich, sie einzuholen. Nun würden
sie gemeinsam nach Santiago gehen.
    „Und
danach?“, fragte ich.
    „Wir
werden sehen“, die beiden lächelten sich zu. „Das Leben steckt voller
Überraschungen.“
    Roy holte ein kleines Päckchen
aus seinem Rucksack hervor. „Engelskarten“, erklärte er, „die habe ich immer
dabei und ziehe jeden Tag eine. Das ist weniger dafür gedacht, die Zukunft
vorauszusagen. Die Engel geben uns vielmehr eine Botschaft zum Nachdenken.
Willst du auch mal eine Karte ziehen?“
    Ich nickte — warum nicht?
    Roy mischte die Karten und
meinte: „Du kannst die Karte als Botschaft für den heutigen Tag nehmen — oder
für die gesamte Zeit, die du Hospitalera bist. Ganz wie du willst.“ Die Karte,
die ich zog, hatte die Botschaft „Erziehung “. Bemerkenswert — als genau
das empfand ich meine Hospitalera-Zeit, als eine Periode in meinem Leben, in
der ich viel über mich und andere lernte, manche Lektion erteilt bekam,
sozusagen erzogen wurde.
    Dazu passte der Abschied von
Roy und Celine — wieder einer dieser bittersüßen Hospitalera-Momente: Menschen,
die man lieb gewonnen hat, loslassen müssen.
     
    Eines Abends, es war inzwischen
wieder schönes Wetter und die Zelte konnten genutzt werden, kamen zwei
bildhübsche junge Schwedinnen und ein ebenso junger Brasilianer an. Die beiden
Mädchen waren offenbar im Laufe des Weges zu Camino-Lieblingen avanciert, denn
sie wurden vielstimmig mit begeistertem Hallo begrüßt. Ich verstand bald, warum
alle sie mochten — sie waren fröhlich, hilfsbereit und bei aller Schönheit
natürlich und bescheiden.
    Wir hatten an jenem Abend
gerade noch drei Plätze frei. „Zwei Matratzen in einem Zelt und eine im
Aufenthaltsraum“, erklärte ich, „überlegt euch, wie ihr das aufteilt.“
    „Oh, die Matratze im
Aufenthaltsraum kannst du jemand anderem geben“, winkte der Brasilianer ab,
„wir teilen uns zu dritt das Zelt.“
    Ich verzog keine Miene und
meinte später zu Alfredo: „Das muss doch der Traum eines jeden Brasilianers
sein — gleich mit zwei blonden Schwedinnen auf der Matratze. Die anderen Jungs
werden ihn schwer beneiden.“
    Alfredo zog amüsiert die Brauen
hoch. „Ja, ja“, sinnierte er, „und im Juli beginnt er dann richtig — der Camino
del Sexo , der Sex-Camino.“
    Diese Formulierung hatte ich
zwar noch nicht gehört, fand sie aber sehr passend.
    Ab Juli, wenn die Schul- und
Semesterferien begonnen haben, begeben sich besonders viele junge Leute auf den
Camino und die suchten dabei weniger den Blick ins eigene Selbst als den aufs
andere Geschlecht. Schon während meines eigenen Pilgerweges im Hochsommer hatte
ich oft das Gefühl gehabt, der Camino sei eine riesige wandernde Kontaktbörse.
Heuer nun, in diesem merkwürdigen Jahr, wie es immer wieder von allen Seiten
hieß, begann der Camino del Sexo also schon früher.
    Ich fand es amüsant zu
beobachten, wie sich unter dem Vordach bei Bier und Pizza manch zarte Bande
knüpften und ich drückte beide Augen zu, wenn ein jung-verliebtes Pärchen
morgens bei Auszug der Pilger so lange trödelte, dass es wenigstens noch fünf
Minuten ungestört im Schlafsaal knutschen konnte.
    Auch ich als Hospitalera war
durchaus für den ein oder anderen allein wandernden Pilger ein Objekt der
Begierde, aber ich blockte entsprechende Annäherungsversuche ab, tat, als
bemerkte ich sie gar nicht. Eine Affäre à la Ricardo war im Grunde schon eine
zu viel.
    Erstaunt beobachtete ich, wie
sorgfältig zurechtgemacht manche Pilgerinnen unterwegs waren. Ich hatte
seinerzeit Lippenstift und Wimperntusche bereits in der zweiten Herberge als
unnötigen Ballast weggeworfen — hier nun konnte ich morgens im Waschraum einen
Blick auf ganze Paletten von Lidschatten, Kajal , Lipkonturstiften , Rouge und was sonst noch alles der
Verschönerung dienen mag, werfen.
    Eines Mittags, als ich vom
Kaffee-Trinken aus dem Ort kam, um die

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