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Raum in der Herberge

Raum in der Herberge

Titel: Raum in der Herberge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klose
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„Posada“, einem sehr stilvoll in einem
alten Haus eingerichteten Hotel-Restaurant, das Alfredos Freund Gaspar gehörte.
Der ließ es sich nicht nehmen, uns ein üppiges Frühstück mit allen erdenklichen
Köstlichkeiten zu servieren. Alfredos Versuche, dafür zu bezahlen, tat Gaspar
mit einer energischen Handbewegung ab. „Lass mir doch die Freude, euch
einzuladen. Schließlich ist es, wie du gesagt hast, Elisabeths letzter Tag.“ Er
schenkte mir ein zurückhaltendes Lächeln. „Ich habe sie neulich bei dir in der
Herberge arbeiten sehen — sehr tüchtig. So jemanden hätte ich gerne, wenn ich
mal eine Pilgerherberge aufmache.“ Nach dem Frühstück fuhren wir zurück
Richtung Molina und bei den Ruinen von Foncebadón ließ Alfredo mich aussteigen.
Ich trug dick Sonnencreme auf, schulterte meinen kleinen Rucksack und
marschierte los — zwanzig wundervolle Kilometer Camino lagen vor mir, einer der
schönsten und eindrucksvollsten Abschnitte des Jakobsweges.
    Foncebadón war einmal ein
wichtiger Ort an der Wallfahrtsroute gewesen mit Herberge, Kloster und Kirche,
aber das ist sehr lange her. Inzwischen sind die meisten Häuser längst
zerfallen, nur einige wenige noch bewohnt. Vor nicht
allzu langer Zeit wurde hier jedoch wieder eine Pilgerunterkunft eingerichtet
sowie ein Restaurant im mittelalterlichen Stil, beides ist aber nur im Sommer
geöffnet. Je nach Tages- oder Jahreszeit kann Foncebadón mit seinen Ruinen
recht unheimlich wirken, und sowohl Shirley MacLaine wie auch Paulo Coelho
schreiben in ihren Pilgerbüchern von bedrohlichen Begebenheiten in diesem Ort.
    Ich allerdings durchquerte ihn
bei strahlendem Sonnenschein und ohne jedweder Bedrohung ausgesetzt zu sein,
erreichte nach nicht einmal einer dreiviertel Stunde das Cruz de Ferro, jenes
berühmte fünf Meter hohe Eisenkreuz, das für die Jakobspilger eine besondere
Bedeutung hat. Seit undenklichen Zeiten legen sie bei diesem Kreuz einen von
Zuhause mitgebrachten Stein ab, sinnbildlich für all die Lasten, derer sie sich
mit der Pilgerfahrt entledigen wollen. Auf dem inzwischen gewaltigen
Steinhaufen um das Kreuz liegen auch andere Dinge wie Passfotos und Bittzettelchen von Pilgern, Muschelkettchen und allerlei
Schnickschnack, insgesamt hat sich jedenfalls die Tradition erhalten, etwas bei
diesem Kreuz zurückzulassen. So legte auch ich meinen Stein, den ich diesmal
zwar nur aus Molina mitgebracht hatte, zu den unzähligen anderen. Eine Gruppe
von jungen Pilgern bat mich, sie vor dem Kreuz zu fotografieren — selbstverständlich,
aber bitte auch ein Foto von mir mit meinem Apparat — dann ging ich weiter nach
Manjarín.
    Manjarín ist ebenfalls ein seit
langem verlassenes Bergdorf, wo es aber eine sehr spezielle Herberge gibt, als
„pittoresk“ bezeichnen sie manche Wanderbücher und umschreiben damit die
Tatsache, dass es hier weder Duschen noch anständige Klos gibt. Doch jeder
vorbeiziehende Pilger wird freundlich begrüßt, bekommt, wenn er will, Kaffee,
Wein, ein Stück Brot oder Käse, wobei es jedem selbst überlassen wird, ob er
dafür etwas bezahlt. Im Sommer kann man im Schatten der Loggia verschnaufen, im
Winter brennt den ganzen Tag über ein Kaminfeuer zum Aufwärmen — diese Herberge
soll ein Refugio im alten Sinne sein, ein Zufluchtsort in der Tradition des
Templerordens, der sich zusammen mit dem Malteserorden seit dem Mittelalter um
Schutz und Sicherheit der Pilger kümmert. So sieht es jedenfalls Tomás, der
Hospitalero, der sich selbst als eine Art letzten Ritter betrachtet. Von ihm
hatte ich schon viel gehört, altgediente Hospitaleros sprachen mit großer
Sympathie und Respekt von ihm, deshalb wollte ich ihn nun kennen lernen.
    „Ich habe zwei Wochen als
freiwillige Hospitalera in Molinaseca gearbeitet“, stellte ich mich vor, „heute
ist mein letzter Tag, deshalb bin ich auf dem Camino und da wollte ich dich
unbedingt besuchen.“
    Tomás, ein mittelgroßer, etwas
untersetzter Mann mit grauen Locken und Bart und einer dicken Brille, nahm mich
in die Arme und begrüßte mich wie eine liebe alte Freundin, die endlich wieder
hereinschaut. Wir tranken Wein zusammen und ich erzählte ihm ein bisschen von
meinen Erfahrungen, wollte wissen, ob hier oben bei ihm auch so viel los sei.
    „Oh ja — und jedes Jahr werden
es mehr auf dem Camino.“ Er seufzte. „Der Jakobsweg ist dabei, zu einem riesigen
Geschäft zu werden, zu einem Rummelplatz. Stell dir vor, inzwischen legen sogar
Supermarktketten Zettel aus, welche

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