Raum
ganz durcheinander.
»Guck, da.« Ich zeige aufs Bett. »Es ist so ein Tag, wo sie nicht aufsteht.«
Noreen ruft Ma, aber mit ihrem anderen Namen, und sie fragt, ob alles in Ordnung ist.
Ich flüstere: »Nicht mit ihr reden.«
Sie redet aber noch lauter mit ihr. »Kann ich Ihnen irgendwas bringen?«
»Lassen Sie mich schlafen.« Ich habe noch nie gehört, wie Ma was sagt, wenn sie Verschwunden ist, ihre Stimme ist wie von einem Monster.
Noreen geht rüber zur Kommode und holt Anziehsachen für mich. Im fast Dunkel ist es schwer, zuerst tue ich meine zwei Beine in ein Hosenbein und muss mich an sie lehnen. Leute selber zu berühren ist gar nicht so schlimm, schlimmer ist, wenn sie mich berühren, wie Elektroschocks. »Die Schuhe«, flüstert sie. Ich finde sie und quetsche mich rein und mache das mit dem Klettverschluss, es sind nicht die biegsamen, die ich so gern habe. »Guter Junge.« Noreen ist schon an der Tür, sie winkt mir mit der Hand, dass ich mitkommen soll. Ich mache meinen Pferdeschwanz wieder zusammen, der war lose geworden. Ich suche Schlimmerzahn und meinen Stein und meinen Ahornflügel, damit ich sie einstecken kann. »Deine Ma ist von dem Interview bestimmt noch ganz erledigt«, sagt Noreen im Flur. »Dein Onkel wartet schon seit einer halben Stunde in der Aufnahme darauf, dass ihr zwei endlich aufwacht.«
Das Abenteuer! Aber nein, wir können nicht weg, Ma ist ja Verschwunden.
Auf den Stufen ist Dr. Clay, er spricht mit Noreen. Ich halte mich mit zwei Händen am Geländer fest, erst tue ich einen Fuß runter und dann den anderen, dann schiebe ich die Hände runter, fallen tue ich nicht, da ist nur eine Sekunde, wo es sich fallig anfühlt, aber dann stehe ich auf dem anderen Fuß. »Noreen.«
»Nur eine Sekunde.«
»Nein, guck mal, ich kann die Stufen.«
»Gimme five« , sagt Dr. Clay.
Ich lasse eine Hand los und klatsche ihn ab.
»Und? Willst du immer noch die Dinosaurier sehen?«
»Ohne Ma?«
Dr. Clay nickt. »Aber du bist die ganze Zeit mit deinem Onkel und deiner Tante zusammen, es kann dir gar nichts passieren. Oder willst du es lieber auf einen anderen Tag verschieben?«
Ja, aber lieber doch nicht, weil dann sind die Dinosaurier vielleicht weg.
»Heute bitte.«
»Guter Junge«, sagt Noreen. »Dann kann deine Ma auch mal so richtig ausschlafen, und wenn du wiederkommst, kannst du ihr alles über die Dinosaurier erzählen.«
»He, Kumpel.« Da kommt mein Onkel Paul, ich wusste gar nicht, dass er in den Speisesaal darf, ich glaube, Kumpel ist das, was Männer für Süße sagen.
Ich frühstücke, Paul sitzt neben mir, das ist komisch. Er spricht in sein kleines Telefon, er sagt, am anderen Ende ist Deana. Das andere Ende ist das unsichtbare. Heute gibt es Saft ohne Stückchen, lecker. Noreen sagt, den haben sie extra für mich bestellt.
»Bist du bereit für deinen ersten Ausflug nach draußen?«, fragt Paul.
»Ich bin schon sechs Tage im Draußen«, erkläre ich ihm. »Dreimal war ich schon an der Luft, und ich habe Ameisen gesehen und Helikopter und Zahnärzte.«
»Boah.«
Nach meinem Muffin hole ich meine Jacke und meine Mütze und die Sonnencreme und meine coole Sonnenbrille. Noreen gibt mir eine braune Papiertüte, falls ich mal nicht atmen kann. Als wir durch die Drehtür gehen, sagt Paul: »Wahrscheinlich ist es sowieso das Beste für deine Ma, wenn sie heute nicht mitkommt. Nach der Sendung gestern Abend kennt nämlich alle Welt ihr Gesicht.«
»Die ganze Welt?«
»So ziemlich«, sagt Paul.
Auf dem Parkplatz hält er mir seine Hand hin, so als ob ich sie nehmen soll. Dann tut er sie wieder runter.
Mir fällt etwas auf den Kopf, und ich schreie.
»Nur ein Regentropfen«, sagt Paul.
Ich starre hoch in den Himmel, er ist grau. »Fällt der auf uns drauf?«
»Alles ist in Ordnung, Jack.«
Ich will lieber wieder bei Ma in Raum Nummer sieben sein, auch wenn sie Verschwunden ist.
»Da sind wir schon …«
Es ist ein grüner Lieferwagen, Deana sitzt auf dem Sitz mit dem Lenkrad. Sie winkt mit den Fingern durch das Fenster. In der Mitte sehe ich noch ein kleineres Gesicht. Der Lieferwagen geht nicht nach draußen auf, ein Teil von ihm schiebt sich nach der Seite weg, und ich steige ein.
»Na endlich«, sagt Deana. »Bronwyn, Schatz, willst du deinem Vetter Jack nicht Hi sagen?«
Es ist ein Mädchen, fast so groß wie ich, sie hat überall so Zöpfchen wie Deana, aber am Ende mit lauter glitzerigen Perlen, und einen ganz flauschigen Elefanten und eine Dose mit
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