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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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guckt mich an.
    Ich tue Schlimmerzahn wieder in meinen Mund, verstecke ihn unter meiner Zunge, dann kneife ich die Zähne ganz fest zusammen.
    »Weißt du was, ich glaube, wir legen einfach eine Luftmatratze neben unser Bett, nur für heute Nacht, bis du dich an alles gewöhnt hast.«
    Ich ziehe meine Dora-Tasche hinter mir her. Die nächste Tür ist da, wo Grandma und Stiefpa schlafen. Die Luftmatratze ist so was wie eine große Tüte, die Pumpe ploppt immer wieder aus dem Loch, und Grandma muss Stiefpa rufen, damit der hilft. Irgendwann ist sie dann ganz voll wie ein Ballon, bloß viereckig, und Grandma zieht Laken drüber. Wer hat eigentlich Mas Bäuchlein aufgepumpt? Und wo stöpselt man bei ihr die Pumpe ein? Kann Ma nicht platzen?
    »Ich habe gefragt, wo deine Zahnbürste ist, Jack.«
    Ich finde sie in meiner Dora-Tasche, in der ist alles, was mir gehört. Grandma sagt mir, ich soll den Pyjama anziehen, damit meint sie meinen Astronautenschlafanzug. Sie zeigt auf die Luftmatratze und sagt: »Hops, rein da.« Personen sagen immer Hops oder Hopp , wenn sie so tun wollen, als ob etwas Spaß macht. Grandma beugt sich runter und hat ihren Mund spitz nach vorne, so wie bei einem Kuss, aber ich tue meinen Kopf unter die Decke. »Entschuldigung«, sagt sie. »Dann vielleicht eine Geschichte?«
    »Nein.«
    »Sogar für eine Geschichte bist du zu müde. Na, dann mal gute Nacht.«
    Alles wird ganz dunkel. Ich setze mich auf. »Was ist mit den Läusen?«
    »Die Laken sind frisch gewaschen.«
    Ich kann Grandma nicht sehen, aber ich erkenne ihre Stimme. »Nein, die Läuse. «
    »Jack, ich schwöre Stein und Bein …«
    »Die Läuse, die nicht beißen.«
    »Ach so«, sagt Grandma, »das mit Äuglein zumachen … Stimmt, das habe ich früher immer gesagt, als deine Ma noch …«
    »Sag alles.«
    »Machst du schnell die Äuglein zu, geben alle Läuse Ruh.«
    Ein bisschen Licht kommt rein, das ist von der Tür, die aufgeht. »Wo gehst du hin?«
    Ich kann in dem Loch ganz schwarz die Umrisse von Grandma sehen. »Nur nach unten.«
    Ich rolle mich von der Luftmatratze, sie schwabbelt. »Ich auch.«
    »Nein, jetzt gucke ich meine Sendungen, die sind nichts für Kinder.«
    »Du hast gesagt, du und Stiefpa im Bett und ich daneben auf der Luftmatratze.«
    »Das kommt erst später, wir sind noch nicht müde.«
    »Du hast gesagt, du bist hundemüde.«
    »Ich bin es müde , dass …« Grandma schreit beinahe. »Ich bin noch nicht bettreif, ich muss noch ein bisschen fernsehen und an nichts denken.«
    »Du kannst doch hier an nichts denken.«
    »Versuch jetzt einfach, dich hinzulegen und die Äuglein zuzumachen.«
    »Kann ich nicht. Nicht ganz allein.«
    »Oh«, sagt Grandma. »Ach, du Ärmster.«
    Warum bin ich der Ärmste?
    Sie bückt sich neben der Matratze und berührt mein Gesicht.
    Ich zucke zurück.
    »Ich wollte dir doch nur die Äuglein zumachen.«
    »Du im Bett. Ich auf der Luftmatratze.«
    Ich höre, wie sie die Luft aus den Backen pustet. »Na gut. Ich lege mich hin, aber nur eine Minute …«
    Ich sehe ihre Umrisse auf der Decke. Etwas fällt hin, bumm , es ist ihr Schuh.
    »Willst du ein Schlummerliedchen?«
    »Häh?«
    »Soll ich dir was vorsingen?«
    Ma singt mir Lieder vor, aber die gibt es jetzt nicht mehr. Sie hat meinen Kopf gegen den Tisch in Raum Nummer sieben gebumst. Sie hat die schlimme Medizin genommen. Ich glaube, sie war zu müde zum Weiterspielen, sie wollte ganz schnell in den Himmel, deshalb hat sie nicht gewartet, warum hat sie nicht auf mich gewartet?
    »Weinst du etwa?«
    Ich sage nichts.
    »Ach, mein Schatz. Aber besser, es kommt raus, als dass es drin bleibt.«
    Ich würde so gern was kriegen, unbedingt, ohne kann ich nicht einschlafen. Ich lutsche an Schlimmerzahn, das ist Ma, jedenfalls ein Teil von ihr, seine Zellen sind ganz braun und verfault und hart. Schlimmerzahn hat ihr wehgetan oder vielleicht auch sich selbst, aber jetzt nicht mehr. Warum ist es besser, es kommt raus, als dass es drin bleibt? Ma hat gesagt, wir würden frei sein, aber das hier fühlt sich nicht an wie frei.
    Grandma singt ganz leise, ich kenne das Lied, aber es hört sich ganz falsch an. »The wheels on the bus go …«
    »Nein danke«, sage ich und sie hört auf.
     
     
     
    Ich und Ma sind im Meer, ich habe mich in ihren Haaren verfangen. Ich bin ganz verknotet und ertrinke …
    Nur ein böser Traum. Das würde Ma sagen, wenn sie hier wäre, ist sie aber nicht.
    Ich liege da und zähle fünf Finger, noch fünf

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