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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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du und deine Ma gespielt habt, ist nur für Reisen.«
    »Aber wir haben doch gar keine Reisen gemacht.«
    »Komm, wir gehen zum Spielplatz.«
    Ich schüttele den Kopf. Ma hat gesagt, wenn wir frei wären, würden wir zusammen da hingehen.
    »Du bist doch schon draußen gewesen, sogar ganz oft.«
    »Das war in der Klinik.«
    »Aber die Luft ist doch dieselbe, oder? Jetzt komm schon, deine Ma hat mir erzählt, dass du gerne kletterst.«
    »Ja, ich klettere tausendmal auf Tisch und auf unsere Stühle und auf Bett.«
    »Nicht auf meinen Tisch, Freundchen.«
    Ich meinte ja auch in Raum.
    Grandma macht mir einen ganz engen Pferdeschwanz und steckt ihn in meine Jacke, ich ziehe ihn wieder raus. Sie sagt nichts von dem klebrigen Zeug und meiner Mütze, vielleicht verbrennt in dem Teil von der Welt hier die Haut ja gar nicht. »Setz deine Sonnenbrille auf, ach ja, und deine vernünftigen Schuhe, in den Latschen da hast du doch überhaupt keinen Halt.«
    Beim Laufen werden meine Füße zerquetscht, sogar noch, als ich das Klettband locker mache. Solange wir auf dem Bürgersteig bleiben, kann uns nichts passieren, aber wenn wir aus Versehen auf die Straße gehen, dann sterben wir. Ma ist nicht tot, Grandma sagt, sie würde mich nicht belügen, aber Dr. Clay hat sie wegen Dame belogen. Der Bürgersteig hört immer wieder auf, dann müssen wir über die Straße gehen, solange wir uns an den Händen halten, kann uns nichts passieren. Ich berühre sie nicht gerne, aber Grandma sagt bloß, Pech gehabt. Die Luft bläst ganz hart in meine Augen, und um die Ränder von meiner Sonnenbrille rum ist die Sonne total blendend. Ich sehe ein rosa Ding, das ist ein Haargummi, und einen Flaschendeckel und ein Rad, aber nicht von einem richtigen Auto, von einem zum Spielen, und eine Tüte Nüsse, aber die Nüsse sind weg, und einen Saftkarton, in dem kann ich immer noch ein bisschen Saft schwappen hören, und gelbe Kacka. Grandma sagt, die ist nicht von einem Menschen, sie ist von einem ekelhaften Hund, sie zieht mich weiter und sagt: »Komm da weg.« Der ganze Dreck darf hier eigentlich gar nicht hin, außer die Blätter, die Bäume können nämlich nichts dafür, dass sie runterfallen. In Frankreich lassen sie die Hunde überall ihr Geschäft machen, irgendwann kann ich da mal hin.
    »Damit ich die Kacka sehe?«
    »Aber nein«, sagt Grandma, »den Eiffelturm. Irgendwann, wenn du richtig gut Treppenstufen steigen kannst.«
    »Ist Frankreich im Draußen?«
    Sie guckt mich komisch an.
    »In der Welt?«
    »Alles ist in der Welt. Wir sind mittendrin.«
    Ich kann nicht auf den Spielplatz, weil die Kinder da drauf keine Freunde von mir sind.
    Grandma verdreht ihre Augen. »Du spielst einfach gleichzeitig, so machen Kinder das.«
    Ich kann durch die Drahtdiamanten durch den Zaun sehen. Er ist wie der geheime Zaun in den Wänden, durch den Ma nicht durchgekommen ist, aber wir sind trotzdem rausgekommen, ich habe sie gerettet, bloß wollte sie dann nicht mehr leben. Ein großes Mädchen hängt verkehrt rum an einer Schaukel. Zwei Jungen sind auf einem anderen Ding, ich weiß nicht mehr, wie das heißt. Es geht rauf und runter, sie lassen es bumsen und lachen und fallen runter, ich glaube, extra. Ich zähle meine Zähne bis zwanzig und dann noch mal. Wenn ich den Zaun festhalte, kriege ich weiße Streifen auf den Fingern. Ich gucke zu, wie eine Frau ein Baby zu dem Klettergerüst trägt, und dann krabbelt es durch den Tunnel, sie macht ihm durch die Löcher an der Seite lustige Gesichter und tut so, als ob sie nicht weiß, wo es ist. Ich gucke zu dem großen Mädchen, aber es schaukelt nur, manchmal mit den Haaren beinahe im Matsch, manchmal richtig rum. Die Jungen jagen sich und machen mit den Händen peng wie mit Pistolen, einer fällt hin und schreit. Er läuft durch das Tor und in ein Haus, Grandma sagt, der wohnt da bestimmt, woher weiß sie das? Sie flüstert: »Spiel du doch jetzt einfach mit dem anderen Jungen.« Dann ruft sie: »Hallo, du da!« Der Junge guckt zu uns rüber, ich gehe in einen Busch, der sticht mich am Kopf.
    Nach einer Weile sagt sie, es ist kühler als es aussieht, und vielleicht sollen wir lieber wieder nach Hause und zu Mittag essen.
    Es dauert Hunderte von Stunden, und mir brechen die Beine.
    »Vielleicht macht es dir ja beim nächsten Mal schon mehr Spaß«, sagt Grandma.
    »Es war interessant.«
    »Hat dir deine Ma etwa beigebracht, das zu sagen, wenn dir etwas nicht gefällt?« Sie lächelt ein bisschen. »Das hat sie

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