Raum
Leo.«
»Nein!«, schreie ich.
»Na schön, dann eben mit dem Staubsauger. Aber ich will mir gar nicht vorstellen was da drin alles …« Sie reibt Teppich zwischen ihren Fingern.
Ich muss Teppich auf meiner Luftmatratze im Schlafzimmer lassen, ich darf sie nicht im ganzen Haus herumzerren. Deshalb sitze ich da und habe sie über dem Kopf wie ein Zelt. Ihr Geruch ist genau der, den ich kenne, und anfühlen tut sie sich auch noch so. Drunter habe ich noch andere Sachen, die die Polizei gebringt hat. Jeep und Fernsteuerung gebe ich ganz besonders dicke Küsse und Weichlöffel auch. Ich wünschte, Fernsteuerung wäre nicht kaputt, dann könnte ich Jeep fahren lassen. Wörterball ist flacher, als ich mich erinnere, und der rote Ballon ist fast überhaupt nicht mehr da. Raumschiff gibt es noch, aber die Kanone fehlt, das sieht nicht besonders gut aus. Kein Fort und kein Labyrinth, vielleicht waren die zu groß und haben nicht in die Kartons gepasst. Aber ich habe meine fünf Bücher, sogar Dylan . Ich hole den anderen Dylan raus, den neuen, den ich aus der Mall habe, weil ich dachte, das wäre meiner, aber der neue glänzt viel doller. Grandma sagt, von jedem Buch gibt es in der Welt Tausende, damit Tausende von Personen dasselbe Buch in der gleichen Minute lesen können, das macht mich ganz schwindelig. Der neue Dylan sagt: »Hallo, Dylan, freut mich, dich kennenzulernen.«
»Ich bin Jacks Dylan«, sagt der alte Dylan.
»Aber ich bin auch einer von Jack«, sagt der neue.
»Kann ja sein, aber ich war der erste von Jack.«
Dann hauen sich der alte und der neue Dylan mit ihren Ecken, bis dem neuen eine Seite reißt, da höre ich auf, weil ich ein Buch zerrissen habe, und wenn Ma das sieht, wird sie bestimmt böse. Jetzt ist sie nicht da und kann nicht böse sein, sie weiß noch nicht mal, dass ich weine und weine und die ganzen Bücher in meine Dora-Tasche tue und den Reißverschluss zumache, damit sie nicht vollgeweint werden. Die zwei Dylans kuscheln sich da drinnen zusammen und sagen, tut uns leid.
Ich finde Schlimmerzahn unter der Luftmatratze und lutsche an ihm, bis er sich anfühlt, als ob er einer von meinen wäre.
Die Fenster machen komische Töne, das sind Regentropfen. Ich gehe ganz dicht dran, solange das Glas dazwischen ist, habe ich keine besondere Angst. Ich drücke meine Nase drauf, es ist ganz verschwommen vom Regen, die Tropfen schmelzen zusammen und verwandeln sich in lange Flüsse, und die laufen alle immer weiter am Glas runter.
Ich und Grandma und Stiefpa fahren alle in dem weißen Auto auf einen Überraschungsausflug. »Aber wie weißt du dann, wo lang?«, frage ich Grandma, als sie losfährt.
Sie zwinkert mir in dem Spiegel zu. »Eine Überraschung ist es nur für dich .«
Ich gucke aus dem Fenster, ob es neue Sachen gibt. Da ist ein Mädchen in einem Rollstuhl, die hat den Kopf zwischen so zwei Polsterdingern. Ein Hund schnüffelt am Popo von einem anderen Hund, das ist lustig. Dann eine Eisenkiste, in die man Post tun kann. Und eine fliegende Plastiktüte.
Ich glaube, ich schlafe irgendwann ein bisschen ein, aber genau weiß ich es nicht.
Wir halten auf einem Parkplatz, bei dem überall, sogar auf den Linien, lauter so staubiges Zeug ist.
»Rate mal, was das ist?«, fragt Stiefpa und zeigt raus.
»Zucker?«
»Sand«, sagt er. »Und, wird es schon wärmer?«
»Nein, mir ist kalt.«
»Er meint, ob du rauskriegst, wo wir sind? Wohin sind ich und dein Grandpa immer mit deiner Ma und Paul gefahren, als sie klein waren? Na?«
Ich gucke ganz lange. »Berge?«
»Das sind Sanddünen. Und zwischen den beiden da, das Blaue?«
»Himmel.«
»Nein, da drunter. Das Dunkelblau ganz unten.«
Meine Augen tun mir weh, trotz der Sonnenbrille.
»Das Meer!«, sagt Grandma.
Ich gehe hinter ihnen über den Holzweg. Ich trage den Eimer. Es ist nicht so, wie ich dachte, die ganze Zeit bläst mir der Wind kleine Steine in die Augen. Grandma breitet einen großen Teppich mit Blumen drauf aus, der wird bestimmt ganz voller Sand, aber Grandma sagt, macht nichts, es ist eine Picknickdecke.
»Wo ist das Picknick?«
»Dafür ist es noch ein bisschen früh im Jahr.«
Stiefpa sagt, wir können doch mal runter ans Wasser gehen.
Ich habe Sand in meinen Schuhen, und einen verliere ich. »Prima Idee«, sagt Stiefpa. Er zieht alle beide von seinen aus und tut da die Socken rein, dann schaukelt er sie an den Schnürsenkeln.
Ich tue auch meine Socken in meine Schuhe. Der Sand ist ganz feucht und
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