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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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komisch unter meinen Füßen, manchmal kitzelt es. Ma hat mir nie erzählt, dass so der Strand ist.
    »Auf geht’s«, sagt Stiefpa und fängt an, auf das Meer zuzulaufen.
    Ich bleibe weit weg, weil es da so riesige Teile gibt, die wachsen und haben oben drauf so weißes Zeug, sie rauschen und krachen. Das Meer hört nie auf zu grummeln, und es ist zu groß, wir gehören da nicht hin.
    Ich gehe wieder zu Grandma auf die Picknickdecke. Sie wackelt mit ihren nackten Zehen, die sind ganz faltig.
    Wir versuchen, eine Sandburg zu bauen, aber der Sand ist nicht der richtige, er fällt immer wieder runter.
    Stiefpa kommt wieder, er hat die Hosenbeine aufgerollt, sie tropfen. »Hattest du keine Lust zum Planschen?«
    »Da ist überall Kacka drin.«
    »Wo?«
    »Im Meer. Unsere Kacka geht durch die Rohre bis ins Meer. Da will ich nicht drin laufen.«
    Stiefpa lacht. »Von Kanalisation hat deine Ma wohl nicht besonders viel Ahnung, was?«
    Am liebsten würde ich ihn hauen. »Ma weiß alles.«
    »Es gibt eine große Fabrik, da gehen die ganzen Abflussrohre von allen Klos hin.« Er setzt sich auf die Decke, seine Füße sind ganz voll Sand. »Die Männer da schöpfen die ganze Kacka raus und schrubben jeden einzelnen Tropfen Wasser so lange, bis man es trinken kann, und dann kommt es wieder in die Leitungen und von da in unsere Wasserhähne.«
    »Und wann läuft es ins Meer?«
    Er schüttelt den Kopf. »Ich glaube, das Meer ist nur Regen und Salz.«
    »Hast du schon mal eine Träne geleckt?«, fragt Grandma.
    »Ja.«
    »Das Meer ist genau dasselbe.«
    Wenn es Tränen sind, will ich da aber trotzdem nicht rein.
    Trotzdem gehe ich mit Stiefpa doch noch nahe ans Wasser, damit wir nach Schätzen suchen können. Wir finden eine weiße Schale, so wie von einer Schnecke, aber als ich meinen Finger reindrehe, ist die Schnecke weg. »Behalt sie«, sagt Stiefpa.
    »Aber was ist, wenn sie nach Hause kommt?«
    »Weißt du, ich glaube nicht, dass sie ihr Haus einfach hier rumliegen lassen würde, wenn sie es noch bräuchte«, sagt Stiefpa.
    Vielleicht hat sie ja ein Vogel gefressen. Oder ein Löwe. Ich tue das Haus in meine Hosentasche und dann noch eine rosa Muschel und eine schwarze und eine ganz lange, die sieht gefährlich aus und heißt Schwertmuschel. Die darf ich alle mit nach Hause nehmen. Gefunden ist gefunden.
    Zum Mittagessen gehen wir in ein Diner, da kann man den ganzen Tag was essen, nicht nur zu den Mahlzeiten. Ich kriege einen BLT , das ist ein heißes Sandwich mit Salat und Tomate, und da drin versteckt Frühstücksspeck.
    Als wir nach Hause fahren, sehe ich den Spielplatz, aber jetzt ist er ganz falsch, die Schaukeln sind auf der anderen Seite.
    »Ach, Jack, das ist doch ein anderer«, sagt Grandma. »Es gibt in jeder Stadt Spielplätze.«
    Vieles in der Welt sind bloß Wiederholungen, glaube ich.
     
     
     
    »Noreen hat mir erzählt, dass du dir die Haare geschnitten hast.« Mas Stimme im Telefon ist ganz winzig.
    »Ja. Aber mein Stark habe ich trotzdem noch.« Ich sitze mit dem Telefon unter Teppich, ganz im Dunkel, und tue so, als ob Ma da ist. »Ich bade jetzt schon ganz alleine«, erzähle ich ihr. »Ich war schon auf Schaukeln, und ich weiß, was Geld ist, und ich habe zwei Der Bagger Dylans und ein Gewissen und knautschige Schuhe.«
    »Mensch.«
    »Ach ja, und ich habe das Meer gesehen, da ist gar keine Kacka drin, du hast mich reingelegt.«
    »Du hattest einfach so viele Fragen«, sagt Ma. »Und ich wusste nicht auf alle eine Antwort, deshalb musste ich ein paar erfinden.«
    Ich höre, wie ihr Atem weint.
    »Ma, kannst du mich heute Abend abholen?«
    »Heute Abend noch nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Sie probieren immer noch an der richtigen Dosis für mich herum und versuchen herauszufinden, was ich brauche.«
    Mich, sie braucht mich.
     
     
     
    Ich will mein Pad Thai mit Weichlöffel essen, aber Grandma sagt, das ist unhygienisch.
    Später bin ich im Wohnzimmer und surfe durch die Kanäle, das heißt, man guckt alle Planeten so schnell an wie ein Surfer. Da höre ich meinen Namen, aber nicht in echt, sondern im Fernseher.
    »… müssen auf Jack hören.«
    »In gewisser Weise sind wir doch alle Jack«, sagt ein anderer Mann, der an dem großen Tisch sitzt.
    »Zweifellos«, sagt noch einer.
    Heißen die auch Jack, sind die ein paar von der Million?
    »Das Kind in uns, das in unserem ganz ureigenen Raum, Orwells Zimmer hunderteins, eingesperrt ist«, sagt noch einer von den Männern und nickt.
    Ich glaube, in dem

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