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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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wir jetzt einfach in die Wanne, bevor es kalt wird?«
    Es ist kein bisschen kalt, es fliegt immer noch Dampf hoch. Ich fange an, meine Sachen auszuziehen. Grandma sagt, sie ist in einer Sekunde wieder da.
    Statuen können nackt sein, auch wenn sie schon erwachsen sind, vielleicht müssen sie das ja sogar. Stiefpa sagt, das ist, weil sie versuchen, wie alte Statuen auszusehen, die waren immer nackt, weil die Römer gedacht haben, dass Körper das Schönste sind. Ich lehne mich gegen die Wanne, aber das Harte draußen ist kalt auf meinem Bäuchlein. Es gibt da was in Alice:
     
    Ich höre ja, du warst bei ihr,
    Und dass er mir es gönnt;
    Sie sprach, sie hielte viel von mir,
    Wenn ich nur schwimmen könnt’!
    Meine Finger sind Taucher. Die Seife fällt ins Wasser, und ich spiele, dass sie ein Hai ist. Grandma kommt mit so einem gestreiften Ding rein, es sieht aus wie eine Unterhose und ein T-Shirt, die mit Perlen zusammengemacht sind, und auf dem Kopf hat sie so eine Plastiktüte, sie sagt, das heißt Duschhaube, trotzdem wir ja eigentlich baden. Aber auslachen tue ich sie nicht, nur in mir drin ein bisschen.
    Als sie in die Wanne geht, wird das Wasser höher, ich klettere auch rein, und da läuft es fast über. Sie ist an dem glatten Ende, Ma hat immer an dem mit dem Wasserhahn gesessen. Ich passe auf, dass ich mit meinen Beinen nicht die Beine von Grandma berühre. Dann stoße ich mir den Kopf am Wasserhahn.
    »Vorsicht.«
    Warum sagen Personen das immer erst, wenn es schon wehtut?
    Grandma kann keine Wannenspiele, außer Row, Row, Row Your Boat , und als wir das probieren, gibt es einen Platscher auf dem Boden.
    Sie hat keine Spielzeuge. Ich spiele, dass die Nagelbürste ein U-Boot ist, das den Meeresgrund bürstet, es findet die Seife, die ist eine eklige Qualle.
    Als wir uns abgetrocknet haben, kratze ich meine Nase, und ein bisschen davon geht ab und ist unter meinem Fingernagel. Im Spiegel sehe ich kleine schuppige Kreise, wo ich abpelle.
    Stiefpa kommt rein und sucht seine Pantoffeln. »Ich fand das früher immer toll …« Er berührt meine Schulter, und plötzlich ist da so ein ganz dünner weißer Streifen, ich habe gar nicht gemerkt, wie er abgegangen ist. Er hält ihn mir hin. »Spitzenmäßig.«
    »Hör auf damit«, sagt Grandma.
    Ich reibe über das weiße Ding, und es rollt sich auf, ein klitzekleiner getrockneter Ball von mir.
    »Noch mal«, sage ich.
    »Warte mal, jetzt suche ich mal ein richtig langes Stück an deinem Arm …«
    »Männer«, sagt Grandma und verzieht das Gesicht.
     
     
     
    Heute Morgen ist die Küche leer. Ich hole die Schere aus der Schublade und schneide meinen Pferdeschwanz ab.
    Grandma kommt rein und starrt mich an. Dann sagt sie: »Also, wenn ich darf, bringe ich dich erst mal ein bisschen in Ordnung. Und danach kannst du dann den Handfeger und die Kehrschaufel holen. Außerdem sollten wir wirklich ein Stück aufbewahren, immerhin war das dein erster Haarschnitt …«
    Das meiste kommt in den Müll, aber drei lange Stücke nimmt Grandma und macht daraus einen Zopf als Armband für mich, mit einem grünen Faden am Ende.
    Sie sagt, ich soll mich mal im Spiegel ansehen, aber als Erstes gucke ich nach meinen Muskeln, ich habe immer noch mein Stark.
     
     
     
    Oben auf der Zeitung steht Samstag, 17. April , das heißt, ich bin schon eine ganze Woche im Haus von Grandma und Stiefpa. Davor war ich eine Woche in der Klinik, das macht zusammen zwei Wochen, die ich jetzt in der Welt bin. Ich rechne immer wieder neu nach, weil es mir vorkommt wie eine Million Jahre und Ma mich immer noch nicht abgeholt hat.
    Grandma sagt, wir müssen mal aus dem Haus. Keiner erkennt mich mehr, weil meine Haare jetzt ganz kurz sind und Locken kriegen. Sie sagt mir, ich soll meine Sonnenbrille ablassen, weil meine Augen sich jetzt bestimmt schon an das Draußen gewöhnt haben, außerdem fällt man mit einer Sonnenbrille nur auf.
    Wir gehen über ganz viele Straßen, dabei halten wir Händchen, damit uns die Autos nicht zerquetschen. Händchenhalten mache ich nicht so gerne, ich tue so, als ob sie die Hand von einem anderen Jungen hält. Dann hat Grandma eine gute Idee, ich kann mich anstatt an der Kette von ihrer Handtasche festhalten.
    In der Welt gibt es von allen Sachen unheimlich viel, aber das kostet alles Geld, sogar Sachen, die man wegwirft, zum Beispiel kauft in einem Geschäft an einer Ecke der Mann vor uns in der Schlange etwas in einer Schachtel, dann reißt er die Schachtel kaputt und

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