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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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mehr wieder.«
    »Ertrinkt er?«
    »Der Fischer?«
    »Nein, JackerJack, unter Wasser?«
    »Nein, keine Sorge«, sagt Ma. »Schließlich ist er doch ein halber Meerjüngling. Er kann Luft genauso atmen wie Wasser, ganz egal.« Ma steht auf und guckt auf Uhr, es ist 08:27.
    Ich liege ewig lang in Schrank, aber ich werde nicht müde. Wir singen Lieder und sagen Gebete auf. »Nur noch ein Gedicht«, bettele ich, »bitte, bitte.« Ich suche mir Das Haus von Jack aus, weil es das längste ist.
    Mas Stimme hört sich dösig an. »Das ist der Mann im zerlumpten Kleid …«
    »Der küsste die verlorene Maid …«
    »Die molk die Kuh mit dem schiefen Horn …«
    Ich sage schnell noch ein paar Sätze auf, jetzt bloß Beeilung: »Die stieß den Hund, der die Katze macht bang, die die Ratte verschlang, die …«
    Piep piep.
    Ich mache meinen Mund ganz fest zu.
    Das Erste, was Old Nick sagt, verstehe ich nicht.
    »Oh, tut mir leid«, sagt Ma, »wir haben Curry gegessen. Übrigens habe ich mir überlegt, ob es vielleicht möglich wäre …« Ihre Stimme ist ganz hoch. »Ob es vielleicht irgendwann möglich wäre, einen Ventilator oder was Ähnliches einzubauen.«
    Er sagt gar nichts. Ich glaube, sie sitzen auf Bett.
    »Nur einen kleinen«, sagt sie.
    »Tolle Idee«, sagt Old Nick. »Damit sämtliche Nachbarn sich fragen, warum ich mir in meinem Schuppen neuerdings ein Süppchen koche.«
    Ich glaube, das ist auch wieder Sarkasmus.
    »Ach ja. Tut mir leid«, sagt Ma. »Ich hatte nicht bedacht …«
    »Dann kann ich ja auch gleich einen blinkenden Neon-Pfeil aufs Dach montieren.«
    Ich frage mich, wie ein Pfeil blinkt.
    »Es tut mir wirklich leid«, sagt Ma. »Mir war nicht klar, dass der Geruch, ich meine, dass ein Ventilator so …«
    »Ich glaube, du weißt gar nicht, wie gut ihr es hier habt«, sagt Old Nick. »Kann das sein?«
    Ma sagt gar nichts.
    »Oberirdisch, natürliches Licht, Klimaanlage. Da gibt es ganz andere Bunker, das kannst du mir glauben. Frisches Obst, Toilettenartikel und was nicht noch, du brauchst nur mit dem Finger zu schnippen, und schon hast du es. Eine Menge Mädchen würden ihrem Schöpfer auf Knien danken, wenn es ihnen so gut ginge, sicher wie in einem Haus. Gerade mit dem Kleinen …«
    Bin ich das?
    »Keine Angst vor Besoffenen am Steuer«, sagt er, »keine Drogenhändler, keine Perversen …«
    Genz schnell redet Ma dazwischen: »Ich hätte nicht nach einem Ventilator fragen sollen, das war dumm von mir, alles in Ordnung.«
    »Na, dann ist ja gut.«
    Eine Weile sagt keiner was.
    Ich zähle meine Zähne, immer wieder komme ich aus der Reihe, erst neunzehn, dann zwanzig, dann wieder neunzehn. Ich beiße mir auf die Zunge, bis es wehtut.
    »Klar, Verschleiß gibt es immer, ist ja auch normal.« Seine Stimme ist jetzt woanders, ich glaube, er steht drüben neben Wanne. »Die Fuge hier ist hochgequollen, das muss ich abschleifen und neu versiegeln. Und siehst du hier? Da kommt schon der Putz durch.«
    »Wir passen aber immer auf«, sagt Ma leise.
    »Aber nicht genug. Kork ist für eine derartige Beanspruchung nicht gedacht. Ich habe damals nur für eine einzelne, ruhige Bewohnerin geplant.«
    »Kommst du ins Bett?«, fragt Ma mit dieser komischen hohen Stimme.
    »Lass mich erst mal die Schuhe ausziehen.« Ich höre ein Ächzen und dann, wie etwas auf Boden fällt. »Kaum bin ich zwei Minuten da, liegst du mir schon mit Renovierungen in den Ohren …«
    Lampe geht aus.
    Old Nick quietscht Bett, ich zähle bis 97, dann glaube ich, dass ich eine Zahl ausgelassen habe, und komme aus der Reihe.
    Ich bleibe wach und horche, trotzdem es gar nichts zu hören gibt.
     
     
     
    Am Sonntag essen wir Bagel zum Abendessen, ganz zäh und mit Gelee und Erdnusscreme. Ma nimmt ihren Bagel aus dem Mund, und da steckt was Spitzes drin. »Endlich«, sagt sie.
    Ich hebe es hoch, es ist ganz gelblich und mit dunkelbraunen Stellen. »Schlimmerzahn?«
    Ma nickt. Sie fühlt hinten in ihren Mund.
    Das ist wirklich verrückt. »Wir könnten ihn wieder reinstecken, mit Mehlklebe vielleicht.«
    Sie schüttelt den Kopf und grinst. »Ich bin doch froh, dass er draußen ist, jetzt kann er mir nicht mehr wehtun.«
    Eben noch war er ein Teil von ihr und jetzt nicht mehr. Nur noch ein Ding. »He, weißt du was? Wenn du ihn unter dein Kopfkissen legst, kommt in der Nacht unsichtbar eine Fee und verwandelt ihn in Geld.«
    »Hier drin leider nicht«, sagt Ma.
    »Warum nicht?«
    »Weil die Zahnfee von Raum gar nichts weiß.« Ihre

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