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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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weit bist.«
    Sie hört sich immer noch sauer an.
    Heute ist April, also darf ich einen Ballon aufblasen. Drei sind noch übrig, ein roter, ein gelber und noch ein gelber. Ich suche mir gelb aus, weil ich dann für nächsten Monat auch noch einen roten oder einen gelben habe. Ich blase ihn auf und lasse ihn ganz oft in Raum herumdüsen, das blubberige Geräusch gefällt mir. Es ist schwer zu entscheiden, wann man den Knoten zumacht, weil danach der Ballon nicht mehr düst, er fliegt nur noch langsam. Aber wenn ich Ballontennis spielen will, muss ich den Knoten zumachen. Also lasse ich ihn ganz viel herumblubbern und blase ihn dreimal so doll auf, dann mache ich den Knoten zu und aus Versehen ist mein Finger drin. Als er richtig geknotet ist, spielen Ma und ich Ballontennis, fünfmal von siebenmal gewinne ich.
    »Möchtest du was kriegen?«, fragt sie.
    »Aus der Linken bitte«, sage ich und klettere auf Bett.
    Viel ist nicht mehr drin, aber das ist lecker.
    Ich glaube, ich habe ein bisschen gedöst, aber dann spricht mir Ma ins Ohr. »Weißt du noch, wie sie durch den dunklen Tunnel von den Nazis weggekrochen sind? Immer einer nach dem anderen?«
    »Ja.«
    »So machen wir es auch, sobald du so weit bist.«
    »Durch welchen Tunnel?« Ich gucke überall rum.
    » Wie durch den Tunnel, nicht durch einen echten. Was ich damit sagen will, ist, dass die Gefangenen sehr, sehr mutig sind und einer nach dem anderen rauskriechen.«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Es ist der einzige Plan, der funktionieren kann.« Mas Augen sind zu glänzend. »Du bist doch mein mutiger Prinz JackerJack. Du gehst als Erster ins Krankenhaus, in Ordnung? Und dann kommst du mit den Polizisten wieder …«
    »Verhaften die mich?«
    »Nein, sie helfen dir. Du bringst sie hierhin, damit sie mich retten, und dann bleiben wir für immer zusammen.«
    »Ich kann nicht retten«, sage ich. »Ich bin erst fünf.«
    »Aber du hast doch Superkräfte«, sagt Ma mir. »Du bist der Einzige, der das schaffen kann. Machst du es?«
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber sie wartet und wartet.
    »Na gut.«
    »Heißt das Ja?«
    »Ja.«
    Sie gibt mir einen fetten Kuss.
    Wir klettern aus Bett und essen jeder ein Schüsselchen Mandarinen.
    Unser Plan hat ein paar Problemteile. Über die denkt Ma immer wieder nach und sagt, oh nein, aber dann findet sie doch eine Lösung.
    »Die Polizisten kennen aber gar nicht den geheimen Code, wie man dich rauslässt«, sage ich ihr.
    »Die lassen sich schon was einfallen.«
    »Und was?«
    Sie reibt sich ein Auge. »Keine Ahnung, einen Schneidbrenner vielleicht.«
    »Was …«
    »Das ist ein Werkzeug, aus dem eine Flamme herauskommt, damit können sie die Tür einfach aufbrennen.«
    »Wir könnten doch einen basteln«, rufe ich und hopse rauf und runter. »Könnten wir nämlich, wir würden die Vitaminflasche mit dem Drachenkopf nehmen und den Drachen auf den Ofen legen und anschalten, bis er brennt und …«
    »Und selbst im Feuer umkommen«, sagt Ma nicht besonders freundlich.
    »Aber …«
    »Jack, das hier ist kein Spiel. Gehen wir den Plan noch mal durch …«
    Ich kann mich an alle Teile erinnern, nur die Reihenfolge bringe ich immer wieder durcheinander.
    »Schau doch mal, es ist genau wie bei Dora «, sagt Ma. »Erst muss sie an einen Ort und dann an den zweiten, damit sie von da an den dritten kommt. Für uns heißt das Laster, Krankenhaus, Polizei. Willst du das mal aufsagen?«
    »Laster, Krankenhaus, Polizei.«
    »Oder vielleicht sind es eigentlich sogar fünf Schritte: Krank, Laster, Krankenhaus, Polizei, Ma retten .« Sie wartet.
    »Laster …«
    »Krank …«
    »Krank«, sage ich.
    » Krankenhaus  … nein, falsch, Laster. Krank, Laster … «
    »Krank, Laster, Krankenhaus, Ma retten.«
    »Du hast Polizei vergessen«, sagt Ma. »Zähl mal mit den Fingern mit. Krank, Laster, Krankenhaus, Polizei, Ma retten. «
    Wir üben es immer wieder. Wir machen einen Plan auf Schreibpapier, mit Bildern. Auf dem Krank bin ich mit zugemachten Augen, und meine Zunge hängt ganz weit raus, dann gibt es einen braunen Pick-up, dann eine Person in einem langen weißen Mantel, das soll Ärzte heißen, dann ein Polizeiauto mit einer blitzigen Sirene und dann eins mit Ma, wie sie winkt und lacht, weil sie frei ist, und dem Schneidbrenner, der spuckt Feuer wie ein Drache. Mein Kopf ist müde, aber Ma sagt, wir müssen noch den Teil üben, wo ich krank bin, das ist der wichtigste. »Wenn er das nämlich nicht glaubt, können wir auch den

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