Raum
austrickst.«
Ich packe wieder meinen Rucksack, der eigentlich ein Kissenbezug ist, ich tue Fernsteuerung rein und meinen gelben Ballon, aber Ma sagt Nein. »Wenn du irgendwas mitnimmst, dann kommt Old Nick drauf, dass du weglaufen willst.«
»Ich könnte Fernsteuerung doch in meiner Hosentasche verstecken.«
Sie schüttelt den Kopf. »Du wirst nur dein Schlaf-T-Shirt und deine Unterhose tragen, die Sachen hättest du nämlich an, wenn du wirklich vor Fieber glühen würdest.«
Ich stelle mir vor, wie Old Nick mich in den Laster trägt, und dabei wird mir so schwindelig, als würde ich gleich umkippen.
»Was du jetzt fühlst, ist die Angst. Aber was du tust, beweist deinen Mut.«
»Häh?«
»Mut-Angst.«
»Mungst.«
Wörtersandwich bringt Ma immer zum Lachen, aber diesmal war es gar nicht lustig gemeint.
Zum Mittagessen gibt es Rindersuppe, ich sauge aber nur die Cracker aus.
»Über welchen Teil machst du dir denn jetzt gerade Sorgen?«, fragt Ma.
»Das Krankenhaus. Was, wenn ich nicht die richtigen Wörter sage?«
»Du musst denen bloß erklären, dass deine Mutter eingesperrt ist und der Mann, der dich gebracht hat, es gewesen ist.«
»Aber die Wörter …«
»Was denn?« Sie wartet.
»Was ist, wenn sie überhaupt nicht rauskommen?«
Ma legt ihren Mund an ihre Finger. »Ich vergesse immer wieder, dass du außer mit mir ja noch nie mit jemandem geredet hast.«
Ich warte.
Ma atmet ganz lange und laut aus. »Weißt du was, ich habe eine Idee. Ich schreibe dir einen Zettel, den du bei dir versteckst. Eine Notiz, die alles erklärt.«
»Toll.«
»Du gibst sie einfach dem Erstbesten … ich meine, nicht einem Patienten … dem Ersten in Uniform.«
»Und was macht der dann damit?«
»Sie lesen natürlich.«
»Fernseher-Personen können lesen?«
Sie starrt mich an. »Das sind echte Menschen, schon vergessen? Genau wie wir.«
Das glaube ich immer noch nicht, aber ich sage lieber nichts.
Ma schreibt auf ein Blatt Schreibpapier eine Nachricht. Es ist eine Geschichte über uns und Raum und Bitte umgehend Hilfe schicken , das bedeutet superschnell. Oben beim Anfang stehen zwei Wörter, die ich vorher noch nie gesehen habe. Ma sagt, das sind ihre Namen, wie Fernseher-Personen sie haben. So haben sie früher alle im Draußen genannt, ich bin der Einzige, der Ma sagt.
Mein Bäuchlein tut mir weh, ich will nicht, dass sie andere Namen hat, die ich nie gewisst habe. »Habe ich auch andere Namen?«
»Nein, du bleibst immer Jack. Obwohl … meinen Nachnamen hättest du dann vermutlich auch.« Sie zeigt auf den zweiten.
»Wofür?«
»Na, damit man weiß, dass du nicht derselbe bist wie die ganzen anderen Jacks in der Welt.«
»Was für andere Jacks? So wie in Zaubergeschichten?«
»Nein, echte Jungen«, sagt Ma. »Da draußen sind Millionen von Leuten und es gibt nicht genügend Namen für alle, deshalb müssen sie sich welche teilen.«
Ich will meinen Namen nicht teilen. Mein Bäuchlein tut mir noch mehr weh. Eine Tasche habe ich nicht, deshalb stecke ich die Nachricht in meine Unterhose, sie ist kratzig.
Das ganze Licht spült weg. Ich wünschte, der Tag würde länger dableiben, damit nicht Abend ist.
Es ist 08:41, ich bin in Bett und übe. Ma hat einen Plastikbeutel mit total heißem Wasser vollgemacht und ganz fest zugeknotet, damit keins verschüttet. Den tut sie in noch einen Beutel und knotet den auch zu. »Aua.« Ich versuche mich zu ducken.
»Tut es an den Augen weh?« Sie legt den Beutel wieder auf mein Gesicht. »Er muss heiß sein, sonst funktioniert es nicht.«
»Aber es tut weh.«
Sie probiert ihn bei sich selbst aus. »Nur noch ein kleines bisschen länger.«
Ich drücke meine Fäuste dazwischen.
»Du musst jetzt genauso viel Mut haben wie Prinz JackerJack«, sagt sie, »sonst klappt es nicht. Soll ich Old Nick lieber sagen, dass es dir wieder besser geht?«
»Nein.«
»Ich wette, der Riesentöter Jack würde sich auch einen heißen Beutel aufs Gesicht legen, wenn er müsste. Jetzt komm, nur noch ein bisschen.«
»Lass mich selbst.« Ich schiebe den Beutel aufs Kopfkissen weg, zerknittere mein Gesicht und lege es dann auf das Heiße. Manchmal hebe ich es hoch und mache eine Pause, dann fühlt Ma meine Stirn und meine Backen und sagt: »Brütend heiß«, danach muss ich mein Gesicht wieder drauflegen. Ich weine ein bisschen, nicht wegen dem Heißen, aber gleich kommt Old Nick. Ich will nicht, dass er heute Abend kommt, da werde ich in echt krank. Ich höre die ganze Zeit,
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