Raum
und wirft es in den Müll.
»Aber …«
»Es ist doch nur ein Lumpen.«
»Ist es nicht, das ist mein T-Shirt.«
»Du kriegst ein anderes, ach was, einen ganzen Haufen kriegst du.« Ich kann sie kaum hören, weil sie die Dusche angeschaltet hat, es donnert wie verrückt. »Komm mit rein.«
»Ich weiß nicht, wie.«
»Es ist wunderbar, glaub mir.« Ma wartet. »Na gut, ich bin gleich wieder da.« Sie geht rein und fängt an, die unsichtbare Tür wieder zuzumachen.
»Nein!«
»Ich muss, sonst spritzt das Wasser raus.«
»Nein.«
»Du kannst mich doch durch das Glas sehen, ich bin gleich hier.« Sie schiebt die Tür zu, rums. Ich kann sie nicht mehr sehen, bloß verschwommen, nicht wie Ma in echt, nur wie einen Geist, der komische Töne macht.
Ich schlage dagegen, ich weiß nicht, wie es aufgeht, dann doch, und ich rumse es auf.
»Jack!«
»Ich will nicht, dass du drin bist und ich draußen.«
»Dann komm eben rein.«
Ich weine.
Ma wischt mir mit der Hand das Gesicht ab, das verteilt die Tränen. »Tut mir leid«, sagt sie, »tut mir wirklich leid. Ich überlade dich wahrscheinlich.« Sie umarmt mich, und ich werde bis ganz unten nass. »Jetzt musst du aber nicht mehr weinen.«
Als ich noch ein Baby war, habe ich nur geweint, wenn ich einen Grund hatte. Aber jetzt geht Ma in die Dusche und macht auf der falschen Seite zu, das ist doch ein Grund.
Diesmal komme ich mit rein. Ich stelle mich ganz dicht an das Glas, aber ich werde trotzdem noch vollgespritzt. Ma hält ihr Gesicht in den donnernden Wasserfall, und ein Stöhnen kommt aus ihr raus.
»Hast du Aua?«, rufe ich.
»Nein, ich versuche nur, die erste Dusche seit sieben Jahren zu genießen.«
Es gibt ein kleines Tütchen, auf dem steht Shampoo . Ma macht es mit den Zähnen auf, sie braucht fast alles, es ist kaum noch was übrig. Dann gießt sie ewig ihre Haare und tut noch mehr Zeug aus einem anderen Tütchen drauf, auf dem steht Conditioner , damit irgendwas noch seidiger wird. Meine will sie auch vollmachen, aber ich will nicht seidig sein, und ich tue auch nicht mein Gesicht in das Gespritze. Sie wäscht mich mit den Händen, es gibt nämlich keinen Lappen. Ein paar Teile von meinen Beinen sind lila geworden, das ist von damals, als ich vor Ewigkeiten von dem braunen Laster gesprungen bin. Die Wunden tun mir überall weh, aber am wehesten auf meinem Knie unter meinem Dora-und-Boots-Pflaster, das rollt sich schon auf. Ma sagt, das bedeutet, dass es heilt. Ich weiß nicht, warum wehtun heißt, dass es besser wird.
Es gibt ein superdickes Handtuch, und zwar für jeden eins, wir müssen keins zusammen nehmen. Ich würde lieber eins zusammen nehmen, aber Ma sagt, das ist doch albern. Sie wickelt noch ein Handtuch um ihren Kopf, das sind jetzt schon drei, und danach ist es ganz riesig und spitz, genau wie eine Eistüte, wir lachen.
Ich habe Durst. »Kann ich jetzt was kriegen?«
»Ähm, nachher.« Sie hält mir ein großes Dings hin, mit Ärmeln und einem Gürtel wie bei einem Kostüm. »Zieh erst mal den Bademantel hier an.«
»Aber der gehört einem Riesen.«
»Fürs Erste wird er schon gehen.« Sie wickelt die Ärmel auf, bis sie kürzer und ganz plusterig sind. Sie riecht jetzt anders, ich glaube, das ist der Conditioner . Sie bindet mir den Bademantel in der Mitte zu. Ich hebe ihn unten hoch, damit ich gehen kann. »Tataa«, sagt sie, »hier kommt König Jack.«
Sie holt noch genauso einen Bademantel aus einem Schrank, aber das unsere Schrank ist das nicht. Er geht ihr genau bis zu den Fußgelenken,
»I will be king, diddle diddle, you can be my queen« , singe ich.
Ma ist ganz rosa und grinst, ihre Haare sind schwarz vom Nassen. Meine sind in einem Pferdeschwanz, aber ganz verheddert, weil es keinen Kamm gibt, wir haben ihn in Raum gelassen. »Warum hast du Kamm nicht mitgebringt?«, frage ich sie.
»Mitgebracht. Du weißt doch, wie eilig ich es hatte, dich wiederzusehen.«
»Ja, aber wir brauchen ihn.«
»Den ollen Plastikkamm, bei dem schon die halben Zähne abgebrochen waren? Den braucht kein Schwein mehr«, sagt sie.
Ich finde meine Socken neben dem Bett. Ich ziehe sie an, aber Ma sagt, stopp, weil sie ganz dreckig sind und lauter Löcher haben, von der Straße, wo ich gelaufen und gelaufen bin. Die wirft sie auch in den Müll, sie verschwendet alles.
»Aber Schlimmerzahn, wir haben ihn vergesst.« Ich renne hin, hole die Socken aus dem Müll und finde ihn im zweiten.
Ma verdreht die Augen.
»Er ist doch mein Freund«,
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