Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
Vom Netzwerk:
Lutscher«, sagt Ma.
    »Ich mag ihn nicht, ich mag das Grün nicht.«
    »Kein Problem, spuck ihn einfach aus.«
    Pilar nimmt ihn. »Versuch doch mal einen orangefarbenen. Ich mag die orangefarbenen am liebsten«, sagt sie.
    Ich wusste nicht, dass ich zwei haben darf. Pilar macht den orangenen für mich auf, und der ist gut.
     
     
     
    Erst ist es warm, dann wird es kalt. Das Warme ist schön, aber das Kalte ist nass und kalt. Ma und ich sind in Bett, aber es ist geschrumpft, und es wird kühl, das Laken unter uns und das Laken auf uns auch, und der Zudeck hat sein Weiß verloren, er ist ganz blau …
    Das hier ist nicht Raum.
    Mein Peterchen steht hoch. »Wir sind im Draußen«, flüstere ich ihm zu.
    »Ma.«
    Sie springt hoch wie bei einem Stromschlag.
    »Ich habe Pipi gemacht.«
    »Das ist nicht schlimm.«
    »Aber es ist alles nass. Mein T-Shirt am Bäuchlein auch.«
    »Vergiss es.«
    Ich versuche es zu vergessen. Ich gucke an ihrem Kopf vorbei. Der Boden ist wie Teppich, aber fusselig und mit gar keinem Muster und keinen Ecken, irgendwie grau, er geht bis an die Wände, ich wusste gar nicht, dass Wände grün sind. Es gibt ein Bild von einem Monster, aber als ich genau hingucke, ist es in Wahrheit eine Riesenwelle im Meer. Ein Ding wie Oberlicht gibt es nur in der Wand, ich weiß, was das ist, es ist ein Seitenfenster mit Hunderten von Holzstreifen drüber, aber dazwischen kommt Licht durch. »Ich erinnere mich aber immer noch«, sage ich Ma.
    »Das ist doch ganz normal.« Sie findet meine Backe und küsst sie.
    »Ich kann es nicht vergessen, weil ich immer noch nass bin.«
    »Ach, das«, sagt sie in einem anderen Ton. »Ich meinte nicht, du sollst vergessen, dass du ins Bett gemacht hast. Du sollst dir nur keine Gedanken deswegen machen.« Sie steht auf, sie hat immer noch ihr Papierkleid an, es ist hochgeknittert. »Die Schwestern werden die Laken wechseln.«
    Ich sehe keine Schwestern.
    »Aber meine anderen T-Shirts …« Die sind in Kommode, in der unteren Schublade. Jedenfalls waren sie gestern da, also nehme ich an, jetzt auch noch. Aber ist Raum überhaupt noch da, wenn wir nicht drin sind?
    »Uns fällt schon was ein«, sagt Ma. Sie ist am Fenster und hat gemacht, dass die Holzstreifen weiter auseinandergehen, es gibt ganz viel Licht.
    »Wie hast du das gemacht?« Ich laufe hin, und der Tisch schlägt gegen mein Bein, pang .
    Ma pustet es wieder gut. »Mit der Schnur hier, siehst du? Das ist die Kordel für die Jalousie.«
    »Was ist eine … ?«
    »Es ist die Schnur, die die Jalousie auf- und zumacht«, sagt sie. »Und das da ist eine Jalousie fürs Fenster, sie verhindert, dass einer durchgucken kann.«
    »Warum darf ich nicht durchgucken?«
    »Nicht du, jemand.«
    »Bin ich ein Jemand ?«
    »Sie verhindert einfach, dass Leute rein- oder rausgucken«, sagt Ma.
    Dabei gucke ich doch raus, es ist wie im Fernseher. Es gibt Gras und Bäume und ein Stück von einem weißen Gebäude und drei Autos, ein blaues, ein braunes und ein silbernes mit Streifen. »Auf dem Gras …«
    »Was?«
    »Ist das ein Geier?«
    »Ich glaube, es ist nur eine Krähe.«
    »Da ist noch eine.«
    »Das ist eine … wie heißen die noch mal… eine Taube. Jetzt leide ich schon an Alzheimer. Komm, wir schrubben uns sauber.«
    »Wir haben noch nicht gefrühstückt«, sage ich ihr.
    »Das können wir danach machen.«
    Ich schüttele meinen Kopf. »Das Frühstück kommt vor dem Baden.«
    »Nicht unbedingt, Jack.«
    »Aber …«
    »Wir müssen es nicht mehr so machen wie bis jetzt«, sagt Ma. »Wir können tun und lassen, was wir wollen.«
    »Ich habe lieber Frühstück vor dem Baden.«
    Aber sie ist schon um eine Ecke verschwunden, und ich kann sie nicht mehr sehen, ich renne hinterher. Ich finde sie in einem anderen kleinen Raum, der Boden hat sich in glänzende und kalte weiße Vierecke verwandelt, die Wände sind auch weiß geworden. Es gibt ein Klo, aber das ist nicht unserer, und das Becken ist zweimal so groß wie Becken, außerdem ist da eine hohe unsichtbare Kiste, das muss die Dusche sein, wo die Fernseher-Personen immer drin rumspritzen. »Wo versteckt sich Wanne?«
    »Es gibt keine Wanne.« Ma rumst den Vorderteil von der Kiste auf die Seite, jetzt ist sie auf. Sie zieht ihr Papierkleid aus und knüllt es in einen Korb, ich glaube, das ist ein Müll, aber ohne Deckel, der dong macht. »Komm, das verdreckte Ding schmeißen wir auch gleich mal weg.« Beim Ausziehen zerrt mein T-Shirt an meinem Kopf. Sie knüllt es zusammen

Weitere Kostenlose Bücher