Raum
erkläre ich ihr und tue Schlimmerzahn in die Tasche von meinem Bademantel. Ich lecke mir über die Zähne, weil sie sich komisch anfühlen. »Oh nein, ich habe nach dem Lutscher nicht geputzt.« Ich drückte ganz fest mit den Fingern dagegen, damit sie nicht rausfallen, bloß den gebissenen Finger nicht.
Ma schüttelt den Kopf. »Es war gar kein echter.«
»Er hat aber geschmeckt wie in echt.«
»Nein, ich meine, er war ohne Zucker, die werden mit so einer Art unechtem Zucker gemacht, deshalb sind sie nicht schlecht für deine Zähne.«
Das ist schwer zu verstehen. Ich zeige auf das andere Bett. »Wer schläft da?«
»Das ist für dich.«
»Aber ich schlafe doch bei dir.«
»Tja, das haben die Schwestern eben nicht gewusst.« Ma starrt aus dem Fenster. Ihr Schatten ist auf dem weichen grauen Boden ganz lang, so einen langen habe ich noch nie gesehen. »Ist das eine Katze da auf dem Parkplatz?«
»Zeig!« Ich renne hin und gucke, aber meine Augen finden sie nicht.
»Sollen wir mal ein bisschen auf Erkundung gehen?«
»Wo?«
»Draußen.«
»Wir sind doch schon im Draußen.«
»Ja, aber wir könnten doch ein bisschen an die frische Luft gehen und die Katze suchen«, sagt Ma.
»Cool.«
Sie entdeckt zwei Paar Hausschuhe für uns, aber meine passen mir nicht, deshalb falle ich immer hin, und sie sagt, ich kann erst mal barfuß gehen. Als ich wieder aus dem Fenster sehe, düst gerade ein Ding neben die anderen Autos, es ist ein Lieferwagen, auf dem steht: Cumberland-Klinik .
»Was ist, wenn er kommt?«, flüstere ich.
»Wer?«
»Old Nick, wenn er mit seinem Laster kommt.« Ich war ihn fast schon am Vergessen, wie konnte ich den denn bloß vergessen?
»Ach, das könnte er gar nicht, er weiß ja nicht mal, wo wir sind«, sagt Ma.
»Sind wir schon wieder ein Geheimnis?«
»Irgendwie schon, aber diesmal ein gutes.«
Neben dem Bett gibt es ein … ich weiß, was das ist, nämlich ein Telefon. Ich hebe das Obere ab und sage: »Hallo?«, aber niemand redet, da ist nur so ein Summen.
»Oh, Ma, ich hab noch gar nichts gekriegt.«
»Später.«
Heute ist alles verkehrt rum.
Ma packt den Knopf an der Tür und verzieht das Gesicht, bestimmt wegen ihrem schlimmen Handgelenk. Sie macht es mit der anderen Hand. Wir gehen raus in einen großen Raum mit gelben Wänden und lauter Fenstern und Türen auf der anderen Seite. Jede Wand hat eine andere Farbe, das muss wohl vorgeschrieben sein. Unsere Tür ist die, auf dem ganz in Gold Sieben steht. Ma sagt, in die anderen Türen dürfen wir nicht rein, weil sie anderen Personen gehören.
»Was für anderen Personen?«
»Die kennen wir noch nicht.«
Woher weiß sie das dann? »Dürfen wir denn durch die Seitenfenster gucken?«
»Ja klar, die sind für jedermann.«
»Sind das wir, jedermann?«
»Wir und jeder andere«, sagt Ma.
Jeder andere ist nicht da, also dürfen wir allein. An den Fenstern hier gibt es keine Jalousie, die verhindert, dass einer guckt. Es ist ein anderer Planet, er zeigt mehr Autos, zum Beispiel ein grünes und ein weißes und ein rotes, und außerdem gibt es einen Steinplatz, wo was drauf rumläuft, das sind Personen. »Die sind ja ganz winzig, genau wie Feen.«
»Aber nein, das liegt nur daran, dass sie so weit weg sind«, sagt Ma.
»Sind die wirklich in echt?«
»So echt wie du und ich.«
Ich versuche es, und am Ende glaube ich es auch, aber es ist richtig schwer.
Da ist eine Frau, die gar keine echte Frau ist, das weiß ich deshalb, weil sie grau ist wie eine Statue und ganz nackt.
»Komm«, sagt Ma, »ich verhungere gleich.«
»Ich will doch nur …«
Sie zieht an meiner Hand. Dann können wir nicht mehr weitergehen, weil es Stufen nach unten gibt, ganz viele. »Halt dich am Geländer fest.«
»Am was?«
»Das Ding hier, diese Schiene.«
Das mache ich.
»Kletter einfach runter, einen Schritt nach dem anderen.«
Da falle ich ganz bestimmt. Ich setze mich hin.
»Okay, so geht es auch.«
Ich rutsche auf meinem Popo, erst eine Stufe und dann noch eine. Der riesige Bademantel geht auf. Eine große Person rennt die Stufen rauf, als wenn sie fliegt, aber das stimmt gar nicht, es ist ein echter Mensch, ganz in Weiß. Ich drücke mein Gesicht an Mas Bademantel, damit mich keiner sieht. »Oh«, sagt die Sie, »Sie hätten doch einfach klingeln können.«
Wie Glocken?
»Die Klingel ist direkt neben Ihrem Bett.«
»Wir sind auch so klargekommen«, sagt Ma.
»Ich bin Noreen, ich hole Ihnen sofort neue Masken.«
»Ach,
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