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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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sagt er alles verkehrt herum. In Raum war ich in Sicherheit, und im Draußen ist es gruselig.
    Dr. Clay spricht mit Ma darüber, dass sie Grandma schlagen will.
    »Schlagen darf man nicht«, sage ich.
    Sie blinzelt mir zu. »Ich will es ja gar nicht wirklich. Nur manchmal.«
    »Haben Sie sie früher auch schon einmal schlagen wollen, bevor Sie gekidnappt wurden?«, fragt Dr. Clay.
    »Ach, ja klar.« Ma sieht ihn an, dann lacht sie und stöhnt irgendwie gleichzeitig. »Na also, ich habe mein altes Leben wieder.«
    Wir entdecken noch einen Raum mit zwei Sachen drin, ich weiß, was die sind, das sind Computer. Ma sagt: »Hervorragend, dann maile ich gleich mal ein paar Freunden.«
    »Wem von den neunzehn?«
    »Ähm, ehrlich gesagt, meinte ich alte Freunde von mir, du kennst sie noch nicht.«
    Sie setzt sich hin und macht eine Zeit lang auf den Buchstaben tipp tipp , ich gucke zu. Sie runzelt den Bildschirm an. »Mein Passwort fällt mir nicht mehr ein.«
    »Was ist … ?«
    »Ich bin ja so was von …« Sie hält sich den Mund zu. Sie atmet einmal ganz kratzig durch die Nase. »Ach, macht auch nichts. Komm, Jack, wir suchen mal was Lustiges für dich.«
    »Wo?«
    Sie bewegt die Maus ein bisschen, und plötzlich ist da ein Bild von Dora. Ich gehe näher dran und gucke zu, sie zeigt mir, wie man mit dem kleinen Pfeil klickt, damit ich das Spiel selber machen kann. Ich setze alle Teile von dem Zauberteller wieder zusammen, und Dora und Boots klatschen in die Hände und singen ein Dankeschön-Lied. Es ist sogar noch besser als im Fernseher.
    Ma ist an dem anderen Computer und guckt in einem Buch voller Gesichter, eine neue Erfindung, sagt sie. Sie tippt die Namen ein, und dann kommen sie und lächeln.
    »Sind sie wirklich richtig alt?«, frage ich.
    »Die meisten sind 26, so wie ich.«
    »Aber du hast doch gesagt, es sind alte Freunde.«
    »Das bedeutet nur, dass ich sie schon ganz lange kenne. Die sehen so anders aus …« Sie geht mit den Augen näher an die Bilder und murmelt Sachen wie »Südkorea« oder »Schon geschieden, das gibt’s doch nicht«.
    Sie entdeckt noch eine neue Webseite mit Videos und Liedern und so Sachen, sie zeigt mir, wie zwei Katzen in Ballettschuhen tanzen, das ist lustig. Dann geht sie auf noch andere Seiten mit nur Wörtern, so was wie Freiheitsstrafen und Menschenraub , sie fragt, ob ich sie noch eine Weile lesen lassen kann, deshalb versuche ich wieder mein Dora-Spiel, und diesmal gewinne ich einen Zauberstern.
    Jemand steht in der Tür, ich zucke zusammen. Es ist Hugo, lächeln tut er nicht. »Um zwei skype ich.«
    »Wie bitte?«, sagt Ma.
    »Um zwei skype ich.«
    »Verzeihung, aber ich habe keine Ahnung, was …«
    »Jeden Nachmittag um zwei Uhr skype ich mit meiner Mutter. Die wartet bestimmt schon seit zwei Minuten auf mich. Steht alles auf dem Belegungsplan hier an der Tür.«
    Als wir wieder in unseren Raum kommen, liegt auf dem Bett ein kleines Gerät mit einem Zettel von Paul. Ma sagt, es ist so eins wie das, was sie gehört hat, als Old Nick sie gestohlen hat, nur sind in dem hier auch Bilder, die man mit den Fingern hin und her schieben kann, und nicht nur Tausende von Liedern, sondern Millionen. Ma macht sich die Stöpseldinger in die Ohren, sie nickt zu einer Musik, die ich nicht höre, und singt mit einer leisen Stimme, dass sie von einem Tag zum nächsten eine Million verschiedener Leute ist.
    »Lass mich auch mal.«
    »Es heißt Bittersweet Symphony . Als ich dreizehn war, habe ich es von morgens bis abends gehört.« Sie tut einen Stöpsel in mein Ohr.
    »Zu laut!« Ich reiße ihn raus.
    »Sei vorsichtig damit, Jack, das hat Paul mir geschenkt.«
    Ich wusste gar nicht, dass es nur ihr gehört und nicht mir. In Raum gehörte alles uns beiden zusammen.
    »Moment, hier sind die Beatles, das ist ein Oldie von vor ungefähr fünfzig Jahren, vielleicht gefällt der dir ja«, sagt Ma. »All You Need Is Love.«
    Ich bin durcheinander. »Brauchen Personen nicht auch zu essen und so?«
    »Doch, aber das nutzt alles nichts, wenn man nicht auch jemanden hat, den man lieb hat«, sagt Ma. Sie redet zu laut und schnippt immer noch mit dem Finger die Namen durch. »Es hat da mal ein Experiment mit Affenbabys gegeben, die hat ein Wissenschaftler ihren Müttern weggenommen und jeden ganz allein in einem Käfig gehalten … und weißt du was, die sind gar nicht richtig groß geworden.«
    »Warum sind sie nicht groß geworden?«
    »Doch, größer geworden sind sie schon, aber sie waren

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