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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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was ich an der Decke sehe. Es gibt drei Katzen und einen Hund und zwei Papageien und …
    Ich spucke das Metallding aus.
    »Das ist doch nur ein kleiner Spiegel, Jack. Siehst du? Ich zähle gerade deine Zähne.«
    »Zwanzig«, sage ich ihr.
    »Das stimmt.« Dr. Lopez grinst. »Mir ist noch nie ein Fünfjähriger begegnet, der seine eigenen Zähne zählen konnte.« Sie tut den Spiegel wieder rein.
    »Hmm, schön große Zwischenräume, das gefällt mir.«
    »Warum gefällt dir das?«
    »Es bedeutet … viel Platz zum Rumfuhrwerken.«
    Ma muss eine lange Zeit in dem Stuhl bleiben, während der Bohrer den Dreck aus ihren Zähnen holt. Ich will nicht im Warteraum warten, aber der Helfer Yang sagt: »Komm doch mal, und schau dir unsere coolen Spielsachen an.« Er zeigt mir einen Hai an einem Stock, der klacker klacker macht, und man kann auf so einem Stuhl sitzen, der hat die Form von einem Zahn, es ist ein Riesenzahn, aber nicht von einem Menschen und überall weiß, ohne Verfaultes. Ich gucke mir ein Buch über Transformer an und noch eins ohne Umschlag über Mutant Turtles , die sagen: Finger weg von Drogen. Dann höre ich ein komisches Geräusch.
    Yang versperrt die Tür. »Ich glaube, deine Ma würde lieber …« Ich tauche unter seinem Arm durch, und da ist Dr. Lopez und tut gerade eine kreischende Maschine in Mas Mund. »Tu ihr nichts!«
    »Es ist alles in Ordnung«, sagt Ma, aber so wie wenn ihr Mund kaputt ist, was hat die Zahnarzt bloß mit ihr gemacht?
    »Wenn er lieber hierbleiben möchte, soll es mir recht sein«, sagt Dr. Lopez.
    Yang stellt den Zahnstuhl in die Ecke, und ich gucke zu, es ist schrecklich, aber immer noch besser, als nicht zuzugucken. Einmal zuckt Ma in ihrem Stuhl zusammen und stöhnt. Ich stehe auf, aber da sagt Dr. Lopez: »Vielleicht noch ein bisschen mehr betäuben?«, und er sticht eine Nadel rein, und Ma ist wieder still. Es geht noch Hunderte von Stunden so weiter. Eigentlich muss ich mir die Nase putzen, aber die Haut geht schon ab, deshalb drücke ich nur das Papiertuch drauf.
    Als Ma und ich wieder auf den Parkplatz kommen, donnert mir das ganze Licht doll gegen den Kopf. Der Fahrer ist wieder da und liest eine Zeitung, jetzt steigt er aus und macht die Türen für uns auf. »Hanke höön«, sagt Ma. Ich frage mich, ob sie von jetzt ab immer falsch spricht. Da hätte ich ja lieber Aua-Zähne, als wenn ich so reden müsste.
    Den ganzen Weg zurück zur Klinik gucke ich, wie die Straße vorbeisaust, dabei singe ich Ribbon of Highway .
     
     
     
    Schlimmerzahn ist immer noch unter dem Kopfkissen, ich gebe ihm einen Kuss. Ich hätte ihn mitnehmen sollen, dann hätte Dr. Lopez ihn ja vielleicht auch wieder heile gemacht.
    Wir kriegen unser Abendessen auf einem Tablett, es heißt Boeuf Stroganoff, ein paar Stücke sind Fleisch, und ein paar andere Stücke sehen auch aus wie Fleisch, aber das sind Pilze, alles liegt auf ganz fluffigem Reis. Ma kann noch kein Fleisch essen, nur ein bisschen von dem Reis schmatzen, aber sprechen tut sie schon wieder fast normal. Noreen klopft und sagt, sie hat eine Überraschung für uns, nämlich Mas Dad aus Australien.
    Ma weint, sie springt auf.
    Ich frage: »Kann ich meinen Stroganoff mitnehmen?«
    »Ich könnte Jack auch in ein paar Minuten runterbringen, wenn er aufgegessen hat«, sagt Noreen.
    Ma sagt überhaupt nichts mehr, sie rennt einfach nur los.
    »Er hat für uns eine Beerdigung gemacht«, erkläre ich Noreen, »aber wir sind nicht in dem Sarg.«
    »Das beruhigt mich.«
    Ich jage die Reisfusseln hin und her.
    »Das hier ist doch bestimmt die anstrengendste Woche in deinem Leben«, sagt sie und setzt sich neben mich.
    Ich blinzele sie an. »Warum?«
    »Na ja, weil alles so anders ist, du musst dir doch vorkommen wie ein Besucher von einem anderen Stern.«
    Ich schüttele den Kopf. »Wir sind nicht auf Besuch, Ma sagt, wir müssen für immer hierbleiben, bis wir tot sind.«
    »Ähm, vielleicht hätte ich sagen sollen … ein Neuankömmling.«
    Als ich fertig bin, findet Noreen den Raum, wo Ma sitzt und Händchen mit einer Mann-Person hält, der hat eine Kappe auf. Er springt auf und sagt zu Ma: »Ich hatte deiner Mutter doch extra gesagt, ich will nichts …«
    Ma platzt dazwischen. »Dad, das ist Jack.«
    Er schüttelt den Kopf.
    Aber ich bin doch Jack, wen hat er denn erwartet, einen anderen?
    Er guckt auf den Tisch und ist ganz schwitzig im Gesicht. »Nichts für ungut, aber …«
    »Was soll das heißen, nichts für ungut?« Ma

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