Raum
noch schlimmer«, sagt Ma.
»Was ist denn noch schlimmer?« Ich versuche, an irgendwas Schlimmeres zu denken.
»Heute Abend nichts mehr.«
»Vielleicht, wenn ich sechs bin?«
»Vielleicht.«
Wir machen Löffelchen.
Ich höre ihre Atmer, ich zähle erst zehn von ihr und dann zehn von mir. »Ma?«
»Hmm?«
»Denkst du manchmal an die Sachen, die noch schlimmer sind?«
»Manchmal«, sagt sie. »Manchmal muss ich das.«
»Ich auch.«
»Aber dann verscheuche ich sie aus meinem Kopf und schlafe ein.«
Ich zähle wieder unsere Atmer. Ich versuche mich zu beißen, in meine Schulter, das tut weh. Anstatt an die Affen denke ich an die ganzen Kinder in der Welt und dass sie gar nicht Fernseher sind, sie sind in echt, sie essen und schlafen und machen Pipi und Kacka wie ich. Wenn ich was Spitzes hätte und sie damit stechen würde, dann würden sie bluten, und wenn ich sie kitzeln würde, dann würden sie lachen. Die würde ich gern mal sehen, aber es macht mich ganz schwindelig, dass sie so viele sind und ich nur einer.
»Also, alles kapiert?«, fragt Ma.
Ich liege in unserem Bett in Raum Nummer sieben, aber sie sitzt bloß auf dem Rand.
»Ich bin hier und mache Mittagsschläfchen, und du bist im Fernseher«, sage ich.
»Eigentlich bin ich nur unten in Dr. Clays Büro und spreche mit den Fernsehleuten«, sagt sie.
»Warum willst du mit den Geiern reden?«
»Lieber würde ich nicht, das kannst du mir glauben«, sagt sie. »Aber ich will einfach ein für alle Mal ihre Fragen beantworten, damit sie nicht immer weiter herumbohren. Ich bin in null Komma nichts wieder da, okay? Ganz bestimmt bevor du wieder aufwachst.«
»Okay.«
»Und morgen gehen wir dann auf ein Abenteuer. Weißt du noch, wohin Paul und Deana und Bronwyn uns mitnehmen?«
»Naturkundemuseum, da gucken wir die Dinosaurier an.«
»Genau.« Sie steht auf.
»Ein Lied noch.«
Ma setzt sich wieder hin und singt Swing Low, Sweet Chariot , aber sie macht es zu schnell und ist ganz heiser von unserem Schnupfen. Sie zieht an meinem Handgelenk, damit sie auf meine Uhr mit den Zahlen gucken kann.
»Noch eins.«
»Die warten bestimmt schon …«
»Ich will mitkommen.« Ich setze mich auf und tue meine Arme um Ma.
»Nein, ich will nicht, dass sie dich sehen«, sagt sie und drückt mich wieder runter auf das Kissen. »Schlaf jetzt.«
»Allein bin ich aber nicht müde.«
»Wenn du jetzt kein Mittagsschläfchen hältst, dann bist du nachher ganz erledigt. Lass mich bitte los.« Ma macht meine Hände von sich los. Ich knote sie noch fester zusammen, damit sie es nicht kann. »Jack!«
»Bleib da.«
Ich mache auch noch meine Beine um sie rum.
»Jetzt lass mich endlich los. Ich bin sowieso schon zu spät.« Ihre Hände drücken gegen meine Schultern, aber ich halte mich nur noch fester fest. »Du bist doch kein Baby mehr. Loslassen, hab ich gesagt!«
Ma schubst mich so fest, dass ich ganz plötzlich von ihr losgehe und wegen dem Schubser mit meinem Kopf gegen den kleinen Tisch bumse, wumms .
Sie hat ihre Hand vor dem Mund.
Ich schreie.
»Oh nein«, sagt sie. »Ach, Jack, Jack, es tut mir ja so …«
»Wie ist die Lage?« Der Kopf von Dr. Clay ist in der Tür. »Das Team hat schon alles aufgebaut und wartet auf Sie.«
Ich heule lauter, als ich jemals geheult habe, ich halte mir meinen kaputten Kopf.
»Ich glaube nicht, dass wir das hinkriegen«, sagt Ma, sie streichelt mein nasses Gesicht.
»Sie können immer noch einen Rückzieher machen«, sagt Dr. Clay und kommt näher.
»Nein, kann ich nicht, schließlich geht es hier um die Finanzierung von Jacks College.«
Er verzieht den Mund. »Wir haben ja schon darüber gesprochen, ob das wirklich ein ausreichender Grund ist, um …«
»Ich will nicht aufs College«, sage ich. »Ich will mit dir in den Fernseher.«
Ma pustet ganz lange die Luft aus den Backen. »Neuer Plan. Du kannst mit runterkommen, aber du darfst nur zuschauen und musst mucksmäuschenstill sein, verstanden?«
»Okay.«
»Keinen Mucks.«
Dr. Clay sagt zu Ma: »Halten Sie das wirklich für eine gute Idee?«
Aber ich bin schon ganz schnell meine biegsamen Schuhe am Anziehen, mein Kopf ist immer noch labberig.
Sein Büro ist total anders, es gibt lauter Personen und Lichter und Maschinen. Ma setzt mich auf einen Stuhl in der Ecke, sie küsst mich auf den angebumsten Teil von meinem Kopf und flüstert was, was ich nicht hören kann. Dann geht sie zu einem größeren Stuhl, und eine Mann-Person klemmt ihr eine
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