Raumkapitän Sun Tarin
anschließend mit einem Reinigungsritual im nächstgelegenen Tempel (notfalls auch in der Behelfs-Tempelmesse an Bord) hätte unter Beweis gestellt werden müssen.
Natürlich begleitet von mahnenden Worten des Tugendwächters, die selbst der Kommandant hätte über sich ergehen lassen müssen!
Aber in diesem Fall war alles anders, da der Tugendwächter selbst das Übel verursacht hatte.
Das Schweigen hielt an.
Schließlich war es der Kommandant selbst, der es brach. »Kommen wir zur militärischen Analyse …«, sagte er und ignorierte damit schlicht und ergreifend den Vorfall.
Er beobachtete dabei sehr genau die Reaktion des Tugendoffiziers. Ich hatte die Wahl zwischen zwei Übeln , dachte Sun-Tarin, und unglücklicherweise wird man erst in einiger Zeit sehen, welches ich durch meine Handlungsweise gewählt habe …
Wenn er den Tugendoffizier pflichtgemäß auf seinen gewiss unbeabsichtigten Fehler hingewiesen hätte, wie es eigentlich seiner Pflicht entsprochen hätte, dann hätte sich der Kommandant wohl sicher sein können, sich einen neuen Feind gemacht zu haben. Wies er ihn aber nicht darauf hin, beging er streng genommen eine Pflichtverletzung in Tugendfragen, die der Tugendwächter wiederum zum Anlass nehmen konnte, die Glaubensfestigkeit des Kommandanten anzuzweifeln und durch eine eingehende Befragung feststellen zu lassen.
Wir werden sehen , dachte Sun-Tarin und erinnerte sich eines Spruchs, der allerdings nur hinter vorgehaltener Krallenhand und mit lediglich halb geöffnetem Schnabel kursierte, da er nach offizieller Lesart nicht nur dazu geeignet war, die Würde der Tugendwächter herabzusetzen, sondern außerdem noch blasphemischen Inhalts sein sollte: Gott hat den Tugendwächter geschaffen, um die Gläubigen zu prüfen.
Ein paar Kridania-Tage später kam es dazu, dass mehrere der unterlichtschnellen Kleinraumschiffe, die die Menschen dieses Systems benutzten, auf die PFEIL DER GÖTTLICHEN ORDNUNG zuflogen. Es herrschte für einen halben Kridania-Tag helle Aufregung über die Frage, ob man sich nun als entdeckt zu betrachten hätte. Größere Befürchtungen waren damit nicht verbunden.
Schließlich hatten die ersten Begegnungen mit Menschenschiffen ja eindeutig gezeigt, wie sehr man ihnen militärisch überlegen war. Im Kampf hatten diese Schiffe von Beibootgröße keine Chance gegen die kridanischen Strahlenwaffen.
Schließlich stellte man fest, dass sich die Menschenschiffe offenbar auf dem Weg zu einer Ansammlung von Asteroiden befanden, die wohl als Rohstofflieferanten infrage kamen – zumindest für die immer noch im Aufbau befindliche Industrie der Menschensiedler auf Planet III. Für die fortgeschrittene kridanische Industrie wären diese Gesteinsbrocken völlig wertlos gewesen.
Kommandant Sun-Tarin erwog bereits, die Mission abzuschließen. Es waren eigentlich genug Daten gesammelt worden, um den Mar-Tanjaj und den Raisa zufriedenzustellen. Bis die Grenzen des Heiligen Imperiums sich so weit ausgedehnt hatten, dass Tau Ceti eingegliedert werden musste, würde mindestens noch ein Jahrhundert vergehen. Vielleicht auch länger. Das hing davon ab, wie lange der gegenwärtig amtierende Raisa lebte und wie lange das Interregnum dauerte, das auf seinen Tod unweigerlich folgte.
Eine Gefahr ging von dieser schnabellosen Spezies jedenfalls nicht aus. Das konnte man wohl abschließend schon feststellen, auch wenn Kommandant Sun-Tarin es nach wie vor für notwendig hielt, sich auch dem Heimatsystem dieser Spezies zumindest so weit zu nähern, dass man relevante Transmissionen auffangen und entschlüsseln konnte. Damit könnte man dann das Bild dieser Spezies komplettieren.
Der Kurs der PFEIL DER GÖTTLICHEN ORDNUNG führte in einer Hyperbel am dritten Planeten vorbei. Am Punkt der größten Annäherung wurden auch die größten Datenmengen empfangen.
Dabei filterte der Funkoffizier verstörende Bilder aus dem Datennetz der Menschensiedler heraus, in denen es um die massenhafte Schlachtung einer Spezies von Vogelartigen ging.
Kommandant Sun-Tarin sah sich diese Bilder an. Der begleitende Kommentar war übersetzt worden, und es lag nahe, dass es sich um einen Lehrfilm handelte, der den Schlachtern beibringen sollte, wie man die riesenhaften Laufvögel für die Verarbeitung zu Nahrungsmitteln aller Art vorbereitete.
»Die äußere Ähnlichkeit mit uns ist erschreckend«, sagte der Funkoffizier. »Sieht man mal von der monströsen Größe dieser Spezies ab.«
»Wir haben bei
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