Raumkapitän Sun Tarin
unserem bisherigen Vordringen in die Weiten des Alls gelernt, dass die äußere Gestalt keinerlei Hinweise auf das Vorhandensein von Vernunft zulässt«, gab Sun-Tarin zu bedenken.
»Aber diese Gestalt lässt durchaus Rückschlüsse zu«, widersprach der Funkoffizier, der für seinen besonderen Eifer im Glauben und beim Studium der Heiligen Schriften bekannt war. Aus den Personaldaten wusste Sun-Tarin, dass sich der Funkoffizier zunächst um eine Aufnahme in die Priesterschaft bemüht hatte, aber für eine Ausbildung nicht akzeptiert worden war. Es gab einfach zu viele Bewerber, und für gewöhnlich wurden darunter nur die Allerbegabtesten ausgewählt.
Der Funkoffizier hatte offensichtlich nicht dazugehört und daraufhin den Dienst bei den Tanjaj angetreten. Der Bedarf an Glaubenskriegern in den Diensten der Raumflotte des Heiligen Imperiums war einfach wesentlich größer.
Der Funkoffizier war offensichtlich nicht gut genug, um diesem erlauchten Kreis der Auserwählten unter den Auserwählten anzugehören, als den sich die Priesterschaft gerne betrachtete. Darunter litt er offenbar bis heute und versuchte daher, dieses vermeintliche Manko mit einer besonders zur Schau getragenen Glaubensstrenge in gewisser Weise auszugleichen.
»Die Schnabelträger sind als Ebenbilder Gottes geschaffen, und es ist eindeutig, dass hier ein großer Frevel geschieht«, mahnte der Funkoffizier.
»Nun, die Frage, ob es verboten ist, grundsätzlich das Fleisch von Vogelartigen zu verzehren, oder ob dies nur für vernunftbegabte Vogelartige gilt, ist selbst unter der Priesterschaft umstritten«, gab Sun-Tarin zu bedenken.
»Aber diese Vogelartigen sind zweifellos vernunftbegabt!«, entgegnete der Funkoffizier. »Ich habe die im Hintergrund vernehmbaren Laute einer Computeranalyse zugeführt. Das Ergebnis ist eindeutig: Ihre Laute sind eine Sprache. Zwar eine, die sich vollkommen von allem unterscheidet, was wir bisher als Sprachen unter ungläubigen Völkern kennengelernt haben, aber nichtsdestotrotz ist es eine Sprache. Zuerst dachte ich, dass die primitiven Computersysteme der Menschen vielleicht nicht in der Lage waren, dies zu erkennen, und man deshalb auf Planet III vielleicht irrtümlich davon ausging, es mit einer Spezies von Tieren zu tun zu haben.«
Sun-Tarin bewegte ruckartig den Kopf, sodass seine Schnabelspitze nun direkt auf den Funkoffizier zeigte.
»Und? Ist das nicht der Fall?«
»Ich bin auf Daten gestoßen, die ein Forscher unter ihnen angelegt hat. Es ist der Forscher, nach dem die Riesenvögel unter den Menschen auch benannt wurden. Er hieß Beltran und ist offenbar bereits verstorben. Er trat dafür ein, den Verzehr der Schnabelträger zu beenden.«
»Dann wissen die Menschen also Bescheid …«, krächzte Sun-Tarin erschüttert.
»Ja! Aber nicht nur das! Die Daten dieses Beltran sind für die normalen Nutzer des Datennetzes nicht zugänglich. Offenbar verhindert die planetare Regierung den Zugriff. Für mich war es natürlich kein Problem, an diese Dateien zu kommen. Die Verschlüsselungsbarrieren sind geradezu primitiv …«
»Sie sind Kannibalen und wissen um die Schlechtigkeit ihres Tuns!«, stieß der Tugendwächter hervor. »Ich habe nicht geahnt, dass es etwas so Frevelhaftes im Universum geben könnte!«
»In dieser Hinsicht lernen wir wohl immer wieder dazu.«
»Wir sollten diesen Barbaren zeigen, wo ihre Grenzen sind!«, schlug der Tugendwächter vor.
Sun-Tarin reagierte ärgerlich. »Was soll das heißen? Sie angreifen?«
»Warum nicht? Haben wir nicht auch ihre Schiffe weit draußen im All zerstört?«
»Ja, das mag sein. Aber ich möchte in dieser Hinsicht kein weiteres Risiko eingehen. Unser Auftrag ist die Aufklärung. Selbst wenn wir wollten, könnten wir dieses Volk von Schnabelträgern nicht retten. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn wir die komplette Raumflotte der Menschen zerstören. Davon abgesehen mögen ja einzelne Schiffe vollkommen harmlos sein, aber im Orbit schweben einige mehr davon. Und auch wenn ihre Wuchtgeschosse alles andere als treffsicher sind, so vermögen sie doch unser Schiff so zu schädigen, dass unsere Rückkehr gefährdet sein könnte.«
»Fehlt es dir an Mut, etwas für dieses Volk gottgleicher Schnabelträger zu tun?«, fragte der Tugendwächter voller Verachtung.
»Nein, ich denke nur an die Erfüllung meines Auftrages. Und den hast nicht du mir erteilt, sondern der Mar-Tanjaj.«
»Ich bin deiner Meinung«, meldete sich der Erste Offizier zu
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